Deák

Deák

Deák (spr. dä-āk), Franz von, ungar. Staatsmann, geb. 17. Okt. 1803 zu Söjtör im Zalaer Komitat, gest. 29. Jan. 1876 in Budapest, entstammte einer alten ungarischen Adelsfamilie, widmete sich auf der Akademie zu Raab rechts- und staatswissenschaftlichen Studien und tat sich bei den Komitatsverhandlungen durch überzeugende Beredsamkeit bald hervor. Er wurde in seiner Heimat Notar und Gerichtsbeisitzer. Für die Jahre 1832–36 und 1839–43 in den Landtag gewählt, schwang er sich durch sein parlamentarisches Talent und charaktervolle, patriotische Haltung zum Führer der liberalen Opposition empor. Sein Verdienst war es besonders, daß der unter schlimmen Aussichten eröffnete Landtag 1839 mit einer Aussöhnung zwischen Regierung und Reformpartei endete. Die Wahl für den Landtag von 1843 schlug D. aus, weil er in der Frage über die Besteuerung des Adels seine selbständige Ansicht gegenüber der konservativen Partei festhielt und die Reformpartei seine Wahl mit Gewalt durchsetzen wollte. 1845 trat er gegen Apponyis »Administratorensystem« in die Schranken, mahnte aber auch die Liberalen zum mäßigen und redlichen Wollen. Von dem Landtag von 1847–48 hielt ihn Kränklichkeit fern, nichtsdestoweniger ward das Programm der liberalen Opposition unter seinen Auspizien festgestellt; erst nach den Märzereignissen von 1848 widmete er sich wieder ausschließlich den öffentlichen Angelegenheiten. Unter dem ersten konstitutionellen Ministerium des Grafen Ludwig Batthyányi mit dem Justizministerium betraut, betrieb er eifrig gesetzgeberische Arbeiten und faßte den Plan, das ungarische Justizwesen einer durchgreifenden Reform zu unterwerfen. An legalen Formen festhaltend, legte er, als Kossuth 17. Sept. 1848 an die Spitze der Geschäfte trat, sein Ministerium nieder und beteiligte sich nur noch als Deputierter am Reichstag. Beim Herannahen von Windischgrätz (Ende 1848) stimmte D. für Unterhandlung und war Mitglied jener Deputation, die an den Fürsten abgeschickt wurde, um noch einen Vermittelungsversuch zu machen. Als dieser Schritt fruchtlos blieb, zog sich D. auf das Stammgut Kehida seiner Familie zurück. Zwar versuchte das Ministerium Schwarzenberg seine Unterstützung bei der Reorganisation Ungarns zu gewinnen; aber er konnte nicht bei Umgestaltungsversuchen mitwirken, welche die Selbständigkeit und die alte Verfassung Ungarns in den zentralisierten Kaiserstaat ausgehen lassen wollten. Seit 1854 weilte er ständig in Pest und gewann in den Jahren des passiven Widerstandes allmählich das größte Ansehen und das Vertrauen der Nation. Erst als das kaiserliche Diplom vom 20. Okt. 1860 die Wiederherstellung der frühern Verfassungsverhältnisse Ungarns in Aussicht stellte, ließ D. sich von dem Hofkanzler Vay, einem Konservativen, mehrfach zu Rate ziehen und trat in der Presse vermittelnd auf, indem er sich insoweit für die Aufrechterhaltung der Gesetzgebung von 1848 erklärte, als sie keinerlei Beeinträchtigung der Rechte einzelner nach sich ziehe. Am 11. März 1861 in Pest zum Abgeordneten erwählt, bildete D. nach Eröffnung des Reichstags 2. April 1861 mit Andrássy eine ausgleichsfreundliche gemäßigt-liberale Partei, die sogen. Adreßpartei, im Gegensatze zu der radikalen Beschlußpartei. Sein Adreßentwurf vom 13. Mai erlangte, freilich nur nach heftigen Verhandlungen, die sich bis in den Juli hineinzogen, die Zustimmung der beiden Häuser des Reichstages. Der Kaiser aber lehnte die Adresse mit Rücksicht auf die Reichsverfassung vom Februar 1861 ab, worauf D. eine zweite umfangreiche Denkschrift entwarf, die das Oktoberdiplom wie das Februarpatent als auf die Vernichtung der Rechte Ungarns hinzielend, als unannehmbar bezeichnete. Während der ganzen Schmerlingschen Periode hielt D. an diesen Grundsätzen fest, erklärte jedoch in seinem berühmten Osterartikel im »Pesti Napló« (16. April 1865) die Bereitwilligkeit Ungarns, seine historischen Rechte mit den Bedingungen der Sicherheit und Großmachtstellung des Gesamtreichs in Einklang zu bringen. Schmerling fiel. Als aber im Sommer 1865 der Föderalismus in Österreich zu neuer Geltung und auch Ungarn zu gute kam, war es nicht Deáks Partei, sondern die der Altkonservativen, mit der die Regierung in Verbindung trat. Ohne Erfolg; denn als der 1861 aufgelöste Reichstag 14. Dez. 1865 wieder eröffnet wurde, gebot D. über eine ansehnliche Majorität, welcher der Präsident und Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Szentiványi und Graf Julius Andrássy, angehörten. Die Reichstagsadresse war wieder Deaks Werk und zeigte unverändert den Standpunkt der frühern. Nach der entschiedenen Rückäußerung der Krone geschah es dann gleichfalls auf seinen Antrag, daß man nicht sofort zum Bruch schritt, sondern eine (Siebenundsechziger-) Kommission niedersetzte behufs Feststellung der gemeinsamen Reichsangelegenheiten. Den Ausgleichsentwurf dieses Ausschusses, in dem die Bürgschaften für die Zusammengehörigkeit beider Teile der Monarchie jene Form fanden, die heute staatsgrundgesetzliche Geltung hat, nahm die Regierung sodann nach dem Kriege im Sommer 1866 zum Ausgangspunkt weiterer Verhandlungen mit Ungarn. Daß diese unter Beust zum Ziel führten, verdankte man zum großen Teil der Mäßigung Deáks. Er selbst lehnte zwar die Präsidentschaft eines neuen ungarischen Ministeriums ab, erklärte sich aber bereit, ein solches unter Führung Andrássys zu unterstützen: es wurde im Februar 1867 aus lauter Mitgliedern seiner Partei zusammengesetzt. Im wesentlichen war D. seit dem Ausgleich mit der österreichischen Regierung ausgesöhnt. Er übte durch seine Persönlichkeit wie durch seine Partei einen bedeutenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten aus und vertrat einen gemäßigten Liberalismus. Bei seinem Tod erinnerten sich alle Parteien, welche Verdienste sich der Verstorbene um das Vaterland erworben. Er wurde daher mit königlichen Ehren 3. Febr. 1876 in Budapest beigesetzt, und die Errichtung eines großartigen Denkmals wurde von den Staatsbehörden beschlossen. Dasselbe, ein Werk Huszárs, ist im September 1887 im Beisein Franz Josephs feierlich enthüllt worden. Die Reden Franz Deáks wurden von Konyi herausgegeben (Pest 1881–98, 6 Bde.), seine Korrespondenz ist nur zum Teil veröffentlicht. Sein bedeutendstes Werk: »Beiträge zum ungarischen Staatsrecht« (gegen Professor Wenzel Lustkandl in Wien gerichtet) erschien 1865. Vgl. Pulszky, Franz D. (deutsch, Leipz. 1876); Csengery, Franz D. (deutsch, das. 1877); »Francis D., Hungarian statesman« (hrsg. von Grant Duff, Lond. 1880); Steinbach, Franz D. (Wien 1888).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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