Carstens

Carstens

Carstens, Asmus Jakob, Maler und Zeichner, geb. 10. Mai 1754 in St. Jürgen bei Schleswig, gest. 25. Mai 1798 in Rom, wurde durch den Anblick der Gemälde von Juriaen Ovens, einem Schüler Rembrandts, im Dom zu Schleswig für die Kunst begeistert. Da jedoch nach dem Tode seiner Eltern sein Erbteil nicht zum Studium der Kunst ausreichte, mußte er auf fünf Jahre als Lehrling in eine Weinhandlung zu Eckernförde eintreten. Nach beendigter Lehrzeit ging er 1776 nach Kopenhagen und begann hier seine Studien auf eigne Hand, da ihm das akademische Treiben nicht zusagte. Die Gipssammlung bot ihm mehr Anleitung als der Unterricht der Professoren, wenn er auch zum Zweck des Erlang ens eines Reisestipendiums die Akademie besuchte. Wegen Auflehnung gegen die Professoren von der Akademie aufgeschlossen, arbeitete er dann für sich, um durch Bildniszeichnungen den Unterhalt und die Mittel zu einer Reise nach Italien zu erlangen. Da aber sein Geld nur bis Oberitalien reichte, kehrte er über die Schweiz nach Deutschland zurück und erwarb sich nun in Lübeck fünf Jahre lang seinen Unterhalt mit Porträtieren, trotz seiner Kränklichkeit und Dürftigkeit jede Muße zum Komponieren benutzend. In dieser Lage lernte ihn sein späterer Biograph, L. Fernow, kennen, und auf Empfehlung des Vaters von Overbeck, Bürgermeisters zu Lübeck, erhielt C. die Mittel zur Reise nach Berlin. Auch hier lebte er während eines Aufenthalts von zwei Jahren in armseligen Verhältnissen, bis ihm eine große Komposition: der Sturz der Engel, eine mit Sorgfalt ausgeführte Federzeichnung, eine Professur an der Akademie, vom Minister v. Heinitz den Auftrag zur Dekoration eines Saales und auf zwei Jahre einen Gehalt von je 450 Tlr. zu einer Reise nach Rom eintrug, wo er 1792 ankam. Er wählte Michelangelo und Raffael zu seinen Vorbildern, neigte sich aber später mehr zu dem letztern. In Rom erregte der Kunstschlendrian seiner Landsleute seinen derben Tadel, und dieser rief dagegen auf ihrer Seite Feindschaft und absprechendes Urteil über seine Leistungen hervor. Desto ehrenvollern Beifall zollten ihm römische und andre Künstler. Eine Kunstausstellung eigner Werke im April 1795, zu der er das Publikum durch eine öffentliche Anzeige eingeladen hatte, fiel für den Künstler über alle Erwartungen günstig aus. Dagegen geriet er mit der Berliner Akademie, die seine Rückkehr verlangte, in Differenzen, da er erklärte, deren Verlangen nicht nachkommen zu können, indem er nur in Rom seine weitere Ausbildung zu bewirken vermöge. Dies führte zum Bruch unter peinlichen Korrespondenzen, in denen er zur Rückzahlung der genossenen Pension angehalten ward. Indes schuf der Künstler eifrig, jedoch ohne materiellen Erfolg, weiter, bis ihn im äußersten Elend der Tod ereilte. Während das Hauptverdienst der meisten damaligen Kunstwerke in Vermeidung einzelner Fehler und in sorgfältiger Ausführung einzelner Teile nach dem Modell und Gliedermann bestand, zeichneten sich C.' Werke durch geistvolle Auffassung des dargestellten Gegenstandes und durch die Gesamtkomposition aus. Die Ölmalerei hat er zu spät begonnen, um etwas Bedeutendes darin zustande zu bringen. Daher kann er nur nach seinen Zeichnungen und Aquarellen beurteilt werden. In ihnen offenbart sich ein stark entwickelter Sinn für Stil und Schönheit in der Art, wie damals die antike Kunst aufgefaßt wurde. Seine Bedeutung beruht vornehmlich darin, daß er auf Thorwaldsen und einige Gleichstrebende eingewirkt hat. Einen größern Einfluß auf die Kunst seiner Zeit hat er nicht geübt, weil seine Zeichnungen erst in neuerer Zeit durch Reproduktionen allgemein bekannt geworden sind. Die meisten seiner Stoffe schöpfte C. aus Homer, Pindar, Sophokles, Äschylos, Shakespeare und Ossian. Seine Hauptwerke sind: die Schlacht der Kentauren und Lapithen, die Überfahrt des Megapenthes, das Gastmahl Platons, die Nacht mit ihren Kindern, das Traumorakel des Amphiaraos, die singenden Parzen und der Argonautenzyklus, der nach C.' Tod, von seinem Freund I. Koch gestochen, 1799 erschienen ist. Die meisten Zeichnungen von C. besitzen Weimar, Kopenhagen und die Nationalgalerie in Berlin. Vgl. L. Fernow, Leben des Künstlers A. J. C. (Leipz. 1806; neue Ausg. von Riegel, Hannov. 1867); R. Schöne, Beiträge zur Lebensgeschichte des Malers C. (Leipz 1866); A. Sach, A. J. C. ' Jugend- und Lehrjahre (Halle 1881). Die Mehrzahl seiner Zeichnungen ist von W. Müller n. a. gestochen und in 2. Auflage von Riegel in 2 Bänden (Leipz. 1869 u. 1874) herausgegeben worden. Ein dritter Band (Leipz. 1884) enthält die 24 Blätter des Argonauten zugs, teils von den Platten der Kochschen Stiche gedruckt, teils in Lichtdrucken danach.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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