- Zahnen der Kinder
Zahnen der Kinder (Dentitio), die Entwickelung der Zähne, sowohl der Milchzähne (erstes Z.) als der bleibenden Zähne (zweites Z.), an und für sich ein normaler Naturprozeß, der eigentlich ohne alle Störung verlaufen sollte, aber oft von Beschwerden begleitet ist. In der Regel gehen dem Durchbruch der ersten Zähne etwas Hitze im Zahnfleisch, reichlicher Speichelfluß und ein wenig schmerzhafter Reiz voraus, der das Kind veranlaßt, den Finger und alles, was ihm in die Hände kommt, nach dem Mund zu führen. Die Stelle im Zahnfleisch, wo der Zahn hervorbrechen wird, schwillt an, wird rot, gespannt und endlich weißlich; der geringste Druck darauf verursacht dem Kinde eine schmerzhafte Empfindung. Auch Entzündung der Mundschleimhaut kommt vor. Ist der Zahn hervorgetreten, so hören alle diese Beschwerden auf. Manchmal treten aber auch stärkere Beschwerden ein, wohl durch nervösen Reflex auf andre Körpergebiete. So entstehen Kongestionen nach dem Gehirn, Störungen der Darmtätigkeit (Verstopfung, Durchfall), Reizungen des Nervensystems und Krämpfe, zuweilen auch Fieber (Zahnfieber). Alle diese Störungen und noch manche andre kommen in der Periode des Zahnens zur Beobachtung, allein das Zahnen selbst bedingt nur eine Disposition der Kinder, eine gesteigerte Empfänglichkeit für krankmachende äußere Schädlichkeiten. Es ist also kaum richtig, den begünstigenden Einfluß des Zahnens auf manche Erkrankungen ganz zu leugnen; unrichtig ist es aber auch, das Z. ohne weiteres für alle in dieser Periode vorkommenden Störungen verantwortlich zu machen. In der Periode des Zahnens müssen alle Kinder vorsichtig gehalten werden, auch muß jede wirkliche Krankheit vom Arzt behandelt werden. Nur gewisse Krampfzufälle, Unruhe oder Zahnfrieseln (Schälknötchen) verschwinden nach dem Durchbruch der Zähne von selbst. Das sogen. zweite Z., der Zahnwechsel, geht ganz allmählich und ohne Störungen vonstatten, und der Durchbruch der sogen. Weisheitszähne macht nur schwächlichen Individuen, besonders weiblichen Geschlechts, bisweilen erhebliche Schmerzen. Rühren diese von einer zu starken Spannung des alsdann weißlich erscheinenden Zahnfleisches über dem noch nicht durch das letztere hindurchgetretenen Zahn her, so kann ein kleiner, an sich schmerzloser Einschnitt in das Zahnfleisch bis auf die Zahnkrone sofortige Hilfe bringen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.