Windisch-Grätz

Windisch-Grätz

Windisch-Grätz, uraltes, nach der Stammherrschaft in Steiermark benanntes Fürstengeschlecht, das vom Markgrafen Ulrich von Kärnten abstammen und Weriand, Herrn zu Grätz in der Windischen Mark, zum Stammvater haben soll. Es teilte sich durch die Brüder Ruprecht und Siegmund in zwei Linien. Ein Zweig der Siegmundschen Linie wurde 1557 von Kaiser Ferdinand I. zur gräflichen Würde erhoben, erwarb 1565 das Obersterblandstallmeisteramt und die Magnatenwürde in Ungarn, erhielt 1682 die Reichsgrafenwürde, kaufte 1804 die reichsunmittelbaren Herrschaften Eglofs und Siegen in Schwaben (seit der Mediatisierung 1806 unter württembergischer Landeshoheit), ward hierauf 24. Mai 1804 von Kaiser Franz II. unter dem Namen W. in den Reichsfürstenstand nach dem Rechte der Erstgeburt erhoben und erhielt Sitz und Stimme im schwäbischen Grafenkollegium. 1822 wurde der Fürstenstand auf alle Glieder des Hauses ausgedehnt. Das Haus besitzt namhafte Herrschaften in Böhmen, Niederösterreich und Steiermark. Gegenwärtiger Standesherr ist Fürst Alfred zu W. (s. unten).

1) Alfred zu W., geb. 11. Mai 1787 in Brüssel, gest. 21. März 1862 in Wien, trat 1804 als Oberleutnant in das Ulanenregiment Schwarzenberg und wurde nach der Schlacht bei Leipzig, in der er sich auszeichnete, zum Obersten eines Kürassierregiments ernannt, das er 1814 mit Auszeichnung namentlich bei Troyes und bei La Fère-Champenoise führte. 1826 ward er zum Generalmajor und Brigadier in Prag. 1830 zum Ritter des Goldenen Vlieses, 1833 zum Feldmarschalleutnant und Divisionär ernannt. Nachdem er 1840–48 als Kommandierender von Böhmen in Prag gelebt hatte, übernahm er, als er während der Märzkatastrophe 1848 in Wien zufällig anwesend war, das Kommando der Stadt und ergriff die strengsten Maßregeln, um dem Ausbruch neuer Unruhen vorzubeugen. Bald aber erklärte sich die öffentliche Meinung mit solcher Entschiedenheit gegen ihn, daß ihn der Kaiser nach Böhmen sandte. Nach dem Ausbruch des Aufstandes vom 11. Juni in Prag bewies er den Aufständischen gegenüber viel Schonung und verließ den Weg der Mäßigung selbst dann noch nicht, als seine Gattin, geborne Fürstin Schwarzenberg, durch einen Schuß aus der Menge getötet und sein ältester Sohn tödlich verwundet worden war. Beim Ausbruch der Wiener Oktoberrevolution rückte W. sogleich mit allen verfügbaren Streitkräften nach der Hauptstadt, wurde vom Kaiser mit dem Oberkommando aller Armeen außer der italienischen betraut, drang 31. Okt. in Wien ein und unterdrückte den Aufstand. Von dem neuen Kaiser, Franz Joseph, dessen Thronbesteigung er gemeinsam mit seinem Schwager, dem Fürsten Schwarzenberg, hauptsächlich betrieben hatte, in seiner Stellung bestätigt, begann er Mitte Dezember mit einer Streitmacht von 150,000 Mann die Operationen gegen Ungarn und besetzte Preßburg, Raab und 5. Jan. 1849 Budapest, ließ aber dann, den Feind unterschätzend, den Ungarn drei Monate Zeit, sich zu sammeln und zu verstärken. Die österreichischen Generale wurden im April einer nach dem andern überfallen und geschlagen, und die wichtigsten Positionen gingen verloren, so daß W. 12. April des Generalkommandos enthoben wurde; an seine Stelle trat Welden. W. zog sich auf seine Güter nach Böhmen zurück. 1859 wurde er mit einer Sendung nach Berlin betraut und später zum Gouverneur von Mainz ernannt. 1861 wurde er erbliches Mitglied des Herrenhauses. In seinem Auftrage ward geschrieben: »Der Winterfeldzug 1848/49 in Ungarn« (Wien 1851). Vgl. »Der k. k. österreichische Feldmarschall Fürst W. Eine Lebensskizze aus den Papieren eines Zeitgenossen« (Berl. 1886; 2. Ausg., Leipz. 1898).

2) Ludwig, Prinz zu, österreich. General. Sohn des vorigen, geb. 13. Mai 1830 in Wien, gest. daselbst 14. März 1904, wurde 1847 Kadett in der Kriegsmarine, trat 1848 als Leutnant in das 49. Infanterieregiment und machte als solcher den Feldzug in Italien, darauf als Oberleutnant den Feldzug in Ungarn mit, wo er sich bei Schemnitz und Kápolna besonders auszeichnete und vor Komorn schwer verwundet wurde. Den Feldzug 1866 gegen Preußen machte er als Oberst mit und erwarb sich das Ritterkreuz des Leopoldordens. 1867 Kommandant des 14., 1868 des 13. Dragonerregiments, 1871 Brigadier, 1872 Generalmajor, 1876 Kommandant der 27. Infanterietruppendivision, 1877 Feldmarschalleutnant, 1882 Militärkommandant und 1. Jan. 1833 Kommandant des 1. Korps in Krakau, 1887 Ritter des Goldenen Vlieses, 1888 General der Kavallerie geworden, wurde W. 1889 zum Kommandanten des 11. Korps und kommandierenden General in Lemberg ernannt. Zuletzt war W. Generaltruppeninspektor; auch besaß er die erbliche Mitgliedschaft der ungarischen Magnatentafel.

3) Alfred, Fürst zu, österreich. Staatsmann, Neffe des vorigen und Enkel des Feldmarschalls, geb. 31. Okt. 1851 in Prag, studierte hier und vorher in Bonn die Rechte, folgte 1876 seinem Vater als erbliches Mitglied des Herrenhauses, wo er sich, ebenso wie im böhmischen Landtag, dahin ihn 1883 der Großgrundbesitz entsendete. der konservativen Partei an schloß. 1890 trat er für den deutschböhmischen Aus gleich ein und hielt daran auch dann noch fest, als ein großer Teil seiner Standesgenossen im böhmischen Landtag das Ausgleichswerk bereits fallen gelassen hatte. 1892 wurde er Vizepräsident des Herrenhauses und im Jahre darauf, 11. Nov. 1893, nach dem Sturze des Grafen Taaffe, Präsident im Koalitionsministerium (s. Österreich, S. 203). Als sich die parlamentarische Koalition (Polen, Konservative und Vereinigte Linke) aus Anlaß der Gründung eines slowenischen Gymnasiums in der deutschen Stadt Cilli auflöste, gab W. 18. Juni 1895 seine Entlassung und trat tags darauf mit dem gesamten Ministerium zurück. 1897 wurde er zum Präsidenten des Herrenhauses ernannt.


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