Verlöbnis

Verlöbnis

Verlöbnis (Eheverlöbnis, Eheversprechen, Sponsalien), der Vertrag, durch den zwei Personen die zukünftige Eingehung der Ehe (s. d.) vereinbaren. Im Sprachgebrauch des mittelalterlichen kanonischen Rechts, der, allerdings in einem andern Verständnis, auch in die Anfänge des evangelischen Eherechts übergegangen ist, bedeutet V. sowohl den auf die Zukunft gerichteten Konsens (sponsalia de tut uro, V. in unserm Sinne) als auch den auf die Gegenwart gerichteten eigentlichen Ehekonsens (sponsalia de praesenti), und das V. im erstern Sinne geht durch die geschlechtliche Vereinigung ohne weiteres in die Ehe über. Durch die Einführung der Tridentinischen Eheschließungsform (s. Trauung) in der katholischen Kirche, der Trauung in der evangelischen, hat diese Unterscheidung ihre praktische Bedeutung verloren, ebenso auch die namentlich im evangelischen Eherecht bedeutsam gewordene Unterscheidung zwischen öffentlichem (sponsalia publica) und heimlichem V. (sponsalia clandestina). Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt eine Form nicht vor. Was die Wirkung eines gültig, insbes. also auch nach gesetzlicher Vorschrift unter Zustimmung der Gewalthaber abgeschlossenen Verlöbnisses angeht, so hat das römische Recht jede, auch nur Schadenersatzklage, ausgeschlossen, das kanonische Recht umgekehrt zwar einen direkten Zwang zur Eheschließung nicht zugelassen, aber doch eine Klage auf Ehevollziehung eingeräumt, an deren Stelle im Ungehorsamsfalle ein Schadenersatzanspruch trat. Die moderne Staatsgesetzgebung steht meist in der Mitte und läßt nur einen Ersatzanspruch zu. Ähnlich das Bürgerliche Gesetzbuch: Aus einem V. kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden (§ 1297); Strafversprechen für den Fall des Verlöbnisbruches sind nichtig. Wer indes ohne wichtigen Grund vom V. zurücktritt oder schuldhaft dem andern einen wichtigen Grund zum Rücktritt gab, hat nach § 1298 s. des Bürgerlichen Gesetzbuches dem andern und dessen Eltern sowie denen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben, die angemessenen Aufwendungen für alle in Erwartung der Ehe getroffenen Maßnahmen zu ersetzen; er hat auch, wenn ihm von der unbescholtenen Verlobten die Beiwohnung gestattet war, dadurch verursachten nichtvermögensrechtlichen Schaden nach Billigkeit zu vergüten. Wenn das V. durch Tod sich löst, sind im Zweifel die Brautgeschenke nicht zurückzugeben; dagegen können sie stets zurückgefordert werden, wenn das V. sich anders löst. Alle diese Ansprüche verjähren 2Jahre nach Lösung des Verlöbnisses. Das österreichische Recht kennt den Unterschied zwischen öffentlichem und heimlichem V. nicht. Kein unter was immer für Umständen oder Bedingungen zustande gekommenes V. zieht eine Verbindlichkeit zur Eheschließung oder zur Leistung des für den Rücktrittsfall Bedungenen nach sich; doch kann der schuldlose Teil Ersatz des wirklichen Schadens verlangen, den er aus dem Rücktritt erleidet (§ 45, 46 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches). Vgl. A. Schroeder, V. und Ehe etc. (Wiesbad. 1897); U. Stutz, Die Rechtsnatur des Verlöbnisses (Tübing. 1900); Dittenberger, Das Verlöbnisrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (Halle 1901); Glaser, Die rechtliche Natur des Verlöbnisses (das. 1907).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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