- Star [2]
Star, die Herabsetzung oder gänzliche Aufhebung des Sehvermögens eines oder beider Augen, die entweder auf eine Trübung der Kristallinse (grauer S., Cataracta) oder auf ganz verschiedene Erkrankungen der tiefen Teile des Auges (Netzhaut, Sehnerven etc.) zurückzuführen ist (schwarzer S.). Der grüne S. (Glaukom, s. d.) beruht auf der krankhaften Erhöhung des Augendruckes. Die Unterscheidung nach der Farbe kommt daher, daß beim grauen S. durch die Linsentrübung die Pupille grauen Reflex gibt, beim grünen S. erhält man oft aus der durch den Druck erweiterten Pupille einen grünlichen Reflex, beim schwarzen S. bleibt die Pupille schwarz. Bei dem schwarzen S. unterscheidet man: Amblyopie (Stumpf- oder Schwachsichtigkeit) und Amaurose (völlige Blindheit). Beide kommen zustande durch Erkrankung der Netzhaut oder des Sehnervs an irgend einer Stelle seines Verlaufs oder des Gehirns selbst. Schwarzer S. kann auch eintreten nach Arzneigebrauch, Mißbrauch narkotischer Mittel, bei Epilepsie, Hysterie, Urämie. Meist entsteht der schwarze S. unmerklich, nimmt ganz allmählich zu und geht schließlich in vollständige Erblindung über; doch bleibt er auch auf einer gewissen Stufe der Entwickelung stehen oder wird selbst rückgängig. Selten bildet er sich in sehr kurzer Zeit aus oder tritt selbst plötzlich nach Art eines Schlaganfalls auf, namentlich dann, wenn sich die Netzhaut durch einen Bluterguß oder durch ein Entzündungsprodukt von der Gefäßhaut des Auges abgelöst hat, oder wenn Blutergüsse, schnell wachsende Geschwülste u. dgl. den Ursprung des Sehnervs im Gehirn zerstört haben. Der schwarze S. kommt bei beiden Geschlechtern und in jedem Alter, selbst angeboren vor; doch ist er bei Männern häufiger als bei Weibern und im Alter von 20–40 Jahren häufiger als im Greisenalter, hier aber häufiger als im Kindesalter. Vielfach ist erbliche Disposition vorhanden. Die Pupille pflegt erweitert oder wenig beweglich oder auch, selbst auf Lichteinfall, unbeweglich zu sein. Der Kranke büßt mehr oder weniger die Herrschaft des Willens über die Bewegungen des Auges ein. Die Augenlider sind in der Regel weit geöffnet, der Augenlidschlag ist träge. Der schwarze S., der infolge von Sehnervenschwund, Netzhautablösung und bei Erkrankungen im Gehirn auftritt, gibt die geringste Aussicht auf Heilung, günstiger liegen Fälle, die durch konstitutionelle und dyskrasische Leiden, durch Gicht, Syphilis, Nierenerkrankungen, Hysterie etc. und durch übermäßigen Gebrauch narkotischer Mittel (Zigarren, Alkohol) entstanden sind. Oft wird nur das eine Auge geheilt, das andre nicht, oder der schwarze S. heilt nur auf einer Stelle der Netzhaut. Die Behandlung ist je nach der Form des Leidens sehr verschieden. Die Funktionen des Körpers müssen durch angemessene Lebensordnung geregelt, die Verrichtungen des Auges sorgfältig überwacht, Anstrengungen durchaus vermieden werden. Oft wird längerer Aufenthalt im Dunkeln, das Tragen dunkler Brillen etc. notwendig.
Gegenwärtig versteht man unter S. schlechtweg den grauen S., also eine Erkrankung des Linsensystems, d. h. der Linse selbst oder ihrer Kapsel, bez. beider, wodurch den Lichtstrahlen der Durchgang zu der lichtempfindenden Netzhaut verwehrt wird. Zuerst zeigt sich hinter der Pupille eine unbedeutende Trübung, die allmählich zunimmt; der Kranke sieht wie durch ein trübes Glas, durch Nebel oder Rauch. Nach und nach wird der vor dem Auge schwebende Nebel dichter, und die Gegenstände erscheinen wie dunkle Schatten. Die Pupille bewegt sich meist frei, nur bei sehr großem S. verliert die Iris an Beweglichkeit und wird nach vorn gedrängt. Nach Verletzungen des Auges entwickelt sich der graue S. in wenig Tagen (Cataracta traumatica), meist bedarf er zu seiner Ausbildung Monate und Jahre. Selten bleibt der S. auf einer niedern Entwickelungsstufe stehen. Nach dem Sitz der Trübung unterscheidet man den Kapselstar und den Linsenstar. Der viel seltenere Kapselstar erscheint als eine unsymmetrische, grauweiße, undurchscheinende Trübung nahe hinter der Iris. Der Linsenstar befällt am häufigsten alte Leute (Altersstar, Cataracta senilis) infolge des Sinkens der Ernährungstätigkeit. Der Linsenstar ist bald ein Kernstar, bald ein Rindenstar; bald ist sowohl Kern als Rinde getrübt (totaler S.). Nach der Konsistenz der getrübten Linsenmasse teilt man die Linsenstare ein in harte und weiche Stare. Der harte S. ist von dunkler, bräunlicher Farbe, betrifft meist den Kern der Linse; diese ist oft knorpelartig fest oder selbst in eine kalkartige oder steinige Masse (Cataracta gypsea) umgewandelt. Beim weichen S., der unter allen Starformen am häufigsten vorkommt, zeigt die Linse eine verminderte Konsistenz. Man nennt den S. reif, wenn die Trübung die ganze Linse einnimmt, dagegen unreif, wenn die Entartung noch im Fortschreiten begriffen ist und besonders die Linsenperipherie noch durchsichtige Stellen besitzt, überreif, wenn die schon lange getrübten Linsenmassen stellenweise oder ganz verhärtet und geschrumpft sind. Mitunter ist der graue S. an geboren (Cataracta congenita), namentlich bei Personen mit Englischer Krankheit (Rachitis). Der graue S. tritt aber auch nach entzündlichen Augenkrankheiten auf und ist mit solchen kompliziert. Bei einfachen, nicht komplizierten Staren bleibt stets, auch wenn das Erkennen von Gegenständen längst unmöglich geworden ist, die Fähigkeit, Hell und Dunkel zu unterscheiden, erhalten. Das einzige Mittel, das Sehvermögen wiederherzustellen, ist die Staroperation, die durch Beseitigung der undurchsichtigen Linse den Lichtstrahlen den Eintritt in das Innere des Auges wieder eröffnen soll. Dies wird erreicht, indem man die getrübte Linse gänzlich und mit einemmal aus dem Auge entfernt (Extraktion des Stars); oder dadurch, daß man die Linse aus der Sehachse entfernt und an einen Ort schiebt, wo sie das Einfallen der Lichtstrahlen nicht mehr hindert (Depression oder Reklination des Stars); oder durch Zerstückeln und Zerschneiden der Linse, so daß der S. aufgesaugt werden und also von selbst verschwinden kann (Discision des Stars). Heute wird meist die erste Methode geübt, die zweite gar nicht mehr, da die verlagerte Linse meist als Fremdkörper wirkt und dauernde Reizerscheinungen verursacht, die dritte wird bei jugendlichen Personen angewendet und außerdem, um vielleicht bestehenden Nachstar (zurückgebliebene Kapselreste) zu entfernen. Da die Linse die Lichtstrahlen zusammenbricht, damit sie sich auf der Netzhaut schneiden, so muß man die fehlende Linse (Aphakie) durch eine künstliche ersetzen, und zwar gebraucht man hierzu starke Konvexlinsen (Starbrille), mit deren Hilfe der Kranke meist wieder arbeitsfähige Augen erhält. Zum Ersatz des verlornen Akkommodationsvermögens muß der Operierte Brillen von verschiedener Brechungskraft gebrauchen, je nachdem er nahe oder ferne Gegenstände sehen will. Nach der Staroperation tritt oft von neuem wieder eine Trübung in der hintern Augenkammer ein, die man sekundärer Kapselstar, Nachstar nennt, und wodurch das Sehvermögen wieder beschränkt oder ganz aufgehoben wird. Der Nachstar entsteht dadurch, daß die bei der Operation zurückgelassene hintere Linsenkapsel sich aufs neue trübt; dieselbe wird dann durch eine Nachoperation (Discision des Nachstars) beseitigt. S. kommt auch bei Haustieren vor (s. Augenkrankheiten). Vgl. Magnus, Geschichte des grauen Stars (Leipz. 1876).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.