- Abhärtung
Abhärtung, die Gewöhnung der Organismen an äußere Einwirkungen, Anstrengungen und Entbehrungen, die bei Verweichlichung schädlich werden können. Pflanzen, die in Mistbeeten, Gewächshäusern aus Samen oder Stecklingen herangezogen wurden, sowie in frostfreien Räumen überwinterte Pflanzen härtet man ab, um sie im Sommer ins Freie zu bringen, indem man sie allmählich mehr und mehr dem Licht und der Luft aussetzt. Man bringt sie dann, am besten bei trübem Wetter, ins Freie und stellt sie zunächst an schattigen Plätzen auf. A. ist auch notwendig, wenn Pflanzen aus gleichmäßig feuchter Warmhausluft in trockne Zimmerluft zur Weiterkultur gebracht werden. – Die A. des Menschen hat sich dem Kräftezustande des Individuums anzupassen. Auf ganz junge Kinder und Greise sind Abhärtungsmaßregeln kaum anwendbar, wenn auch jede Verweichlichung sorgsam vermieden werden muß. Wo aber A. am Platz ist, da gewährt sie große Vorteile. Die gewöhnlichsten Abhärtungsmaßregeln richten sich auf Kräftigung der Haut und der Atmungsorgane und bestehen in kalten Waschungen und nassen Abreibungen des ganzen Körpers in einem warmen Zimmer, kalten Bädern, Duschen, Tragen zweckmäßiger Kleidung (s. d.), Benutzung eines nicht erhitzenden und nicht zu weichen Nachtlagers, fleißiger Bewegung im Freien, auch bei ungünstigem Wetter, und möglichst häufigem Öffnen des Fensters beim Aufenthalt im Zimmer. Im Winter soll die Temperatur des Zimmers nicht über 19° betragen. Das Schlafzimmer sei kühl, doch ist es nicht rationell, wenn man gewöhnt ist, am Tage anhaltend im geheizten Zimmer zu leben, nachts im ungeheizten Zimmer bei offenen Fenstern zu schlafen; jedenfalls besorge man morgens das Waschen und Ankleiden in einem nicht kalten Raume. Die Muskeln sind besonders bei sitzender Lebensweise durch systematische Inanspruchnahme (Turnen, Zimmergymnastik etc.) zu kräftigen und abzuhärten, dem gefunden Magen soll auch die Bewältigung schwerverdaulicher Speisen zugemutet werden. Übermäßiger Kaffee-, Tee-, Tabak-, Alkoholgenuß sind, namentlich in der Jugend, zu vermeiden, empfehlenswert aber ist die A. gegen Erregungen, wie sie das tägliche Leben so häufig bringt. Wer den geistigen Menschen widerstandsfähig macht gegen allerlei große und kleine Unbill, gewinnt an Sicherheit vor Erkrankung des Körpers, und wer den Körper zweckmäßig abhärtet. wird im stande sein, den Nerven Erhebliches zuzumuten.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.