- Rochefort [2]
Rochefort (spr. rosch'sōr), Victor Henri, Graf von R.-Luçay, franz. Journalist, geb. 30. Jan. 1830 in Paris, war Hilfsschreiber bei der Pariser Stadtverwaltung. 1859 entlassen, ward er Journalist, schrieb das Werk »Les mystères de l'hôtel des ventes« (Par. 1862), ferner Romane wie auch literarische und politische Artikel, letztere als Redakteur des »Charivari«, des »Nain jaune«, des »Soleil« und des »Figaro«. Auf Befehl des Ministeriums 1868 aus der Redaktion des letztern entlassen, gründete er die Wochenschrift »La Lanterne«, die durch scharfe, witzige, aber oft die Grenzen des Anstandes überschreitende Artikel dem zweiten Kaiserreich tödliche Nadelstiche versetzte und ihm selbst zwar zahlreiche Geld- und Gefängnisstrafen, aber auch ungeheure Einnahmen brachte. Auf eine Zeitlang flüchtete er nach Brüssel. 1869 stand R. auf der Höhe seiner Bedeutung, als er im November in Paris zum Abgeordneten im Gesetzgebenden Körper gewählt wurde. Wegen seiner Angriffe auf die kaiserliche Familie in der von ihm redigierten »Marseillaise« sowie wegen seiner Demonstrationen beim Begräbnis des vom Prinzen Peter Bonaparte erschossenen V. Noir wurde er 22. Jan. 1870 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Am 4. Sept. d. J. ward er Mitglied der Regierung als Minister ohne Portefeuille. Wegen seines zweideutigen Verhaltens bei der Rebellion vom 31. Okt. trat er jedoch von seinem Posten zurück und schürte den Aufstand der Kommune in der »Marseillaise«. 1873 nach Neukaledonien deportiert, entfloh er von da im März 1874 über Australien und Amerika nach Europa (vgl. seine Schrift »De Nouméaen Europe«, Par. 1877) und lebte in der Schweiz oder in Belgien. 1880 kehrte er nach der allgemeinen Amnestie nach Paris zurück, wo er die Zeitung »L'Intransigeant« begründete, in der er jede Regierung aufs frechste beschimpft und zum Revanchekrieg hetzt. 1885–86 war er Mitglied der Deputiertenkammer. Er schloß sich 1887 der boulangistischen Agitation an. Deshalb wurde er mit Boulanger und Dillon vor dem Senat angeklagt und 14. Aug. 1889 wegen Attentats und Komplotts zur Einschließung in einen befestigten Platz verurteilt; doch war er rechtzeitig nach London entflohen. In die Deputiertenkammer wurde er 1889 nicht wieder gewählt. Der Gnadenerlaß des Präsidenten Faure führte ihn im Februar 1895 nach Frankreich zurück, wo er »Les aventures de ma vie« (Par. 1896, 5 Bde.; deutsche gekürzte Bearbeitung, Stuttg. 1900, 2 Bde.) veröffentlichte und einer der entschlossensten Gegner der Dreyfusisten wurde.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.