Rakēten

Rakēten

Rakēten (v. ital. rocchetta, Kriegsraketen), den gleichnamigen, in der Kunstfeuerwerkerei angewandten Körpern (s. Feuerwerkerei) ähnliche Vorrichtungen, bestehen aus einer zylindrischen Hülfe von Eisenblech, die mit dem Treibsatz entweder über einem konischen Dorn (Congrevesche R.) oder massiv (Augustinsche R.) vollgepreßt wird; letztere erhalten durch Ausbohrung eine durchweg gleiche (Preußen) oder eine stufenförmige zylindrische (Österreich) Seele. Über der Seele bleibt eine massive Satzschicht, die Zehrung, stehen. Durch die Reaktion der bei der Verbrennung des Treibsatzes mit Heftigkeit ausströmenden Gase wird die Rakete fortgetrieben und kann somit als Träger von Körpern benutzt werden, die an entfernten Punkten zur Wirkung kommen sollen. Man versah sie daher zu militärischen Zwecken vorn mit einer Granate oder Kartätsche, deren Sprengladung, oder mit einer mit Brandsatz gefüllten Blechbüchse, deren Satz durch den Treibsatz der Rakete entzündet wurde (Brandrakete). Um der bedeutenden Vorderbeschwerung das Gleichgewicht zu halten, versieht man die R. seitlich (Seitenstabraketen) oder axial (Achsenstabraketen) mit einem hölzernen Stab. Hales R. (1846) sind statt des Stabes mit einem eisernen Kegel geschlossen, durch den spiralförmig mehrere Löcher gehen. Die durch diese ausströmenden Gase geben der Rakete eine Drehung um die Längenachse, daher Rotationsrakete. Um den R. eine bestimmte Erhöhung für verschiedene Flugweiten zu geben, wurden sie aus dreibeinigen oder laffetenartigen Gestellen abgefeuert. Diese Kriegsraketen, die in verschiedenen Heeren als Waffe geführt wurden, konnten sich bei ihrer geringern Flugweite und großen Treffunsicherheit den gezogenen Feuerwaffen gegenüber nicht behaupten. Dagegen sind die Leuchtraketen mit Leuchtsternen (Sternfeuer) oder einem Fallschirm, der ein mit Leuchtsatz gefülltes Gefäß trägt, noch in Gebrauch; aber auch sie werden den elektrischen Erleuchtungsvorrichtungen weichen müssen. Die deutschen Leuchtraketen, zur Erleuchtung des Vorfeldes von Festungen benutzt, erhellen 10–15 Sekunden lang einen Raum von 700–1200 m Länge und 500–550 m Breite, dessen Mitte 700–1000 m vor dem Abfeuerungsort liegt. Sie sind jedoch im Ausscheiden begriffen. Die R. sind seit dem 9. Jahrh. n. Chr. in China, in Europa seit dem 13. Jahrh. in Gebrauch, waren aber in Europa seit Anfang des 18. Jahrh. in Vergessenheit geraten, bis sie die Engländer bei ihren Kämpfen mit den Eingebornen in Ostindien, namentlich durch Tippu Sahib wieder kennen lernten. Congreve (s. d. 2) brachte sie dann nach Europa und wandte sie 1806 gegen Boulogne und 1807 beim Bombardement von Kopenhagen an; der dänische Artilleriehauptmann Schuhmacher versah die R. mit Kugeln, Granaten und Kartätschen und begründete somit die Raketenartillerie. Die letztere fand 1848–49 in Italien und Ungarn, besonders im Winter, von den Franzosen 1859 in Algerien, von den Engländern in China und Afghanistan und den Russen 1860 und 1861 an der chinesisch-sibirischen Grenze mit wechselndem Erfolg Verwendung. Das österreichische Raketeurkorps wurde, da es im Feldzug 1866 sich nicht bewährte, 1867 aufgelöst. In Preußen schieden die Sprengraketen 1872 aus. Über Gewehrraketen s. d.; über Rettungsraketen und Raketenapparat (Raketengerät) s. Rettungswesen zur See.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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