- Picard
Picard (spr. -kár), 1) Louis Benoît, franz. Lustspieldichter, geb. 29. Juli 1769 in Paris, gest. daselbst 31. Dez. 1828, machte sich einen Namen erst 1797 durch das Lustspiel »Médiocre et rampant« (neue Ausg., Halle 1888; von Schiller bearbeitet u. d. T.: »Der Parasit«). Er trat selbst als Schauspieler auf und wurde 1801 Direktor des Théâtre Louvois. 1807 entsagte er der Bühne, wurde Mitglied der Académie Française und Direktor der kaiserlichen Akademie der Musik (Große Oper), übernahm 1816 das Odéon und legte 1821 die Direktion nieder. Am besten gelangen ihm die Sittenkomödien, die sich durch lebhaften Dialog, treffenden Witz und gute Entwickelung auszeichnen. Zu nennen sind: »La petite ville«, »Monsieur Musard«, »Les Marionnettes«, »Les deux Philiberts« u.a. Schillers »Neffe als Onkel« ist eine Übersetzung des Lustspiels »Encore des Ménechmes« (1791). Das »Théâtre de P.« (1812, 6 Bde.; 1821, 8 Bde.; neue Ausg. von Fournier, 1879) enthält nur die Stücke, die der Autor selbst des Druckes für würdig hielt.
2) Ernest, franz. Politiker, geb. 24. Dez. 1821 in Paris, gest. 13. Mai 1877, ward 1844 Advokat in Paris und schloß sich früh der republikanischen Partei an, in deren Reihen er gegen das zweite Kaiserreich ankämpfte. 1856 in den Gesetzgebenden Körper gewählt, gehörte er zu der berühmten Gruppe der Fünf und zeichnete sich als glänzender Redner, besonders in Finanzfragen, aus. Im September 1870, unter der Regierung der nationalen Verteidigung, ward er Finanzminister und vom Februar bis Mai 1871 unter Thiers Minister des Innern. Am 31. Okt. 1870 bei der kommunistischen Emeute in Paris rettete P. die Regierung durch seine Geistesgegenwart und Umsicht. 1871–73 war er Gesandter in Brüssel, zugleich bis 1876 Mitglied des linken Zentrums in der Nationalversammlung. Seit 1876 war P. Mitglied des Senats. Seine »Discours parlementaires« erschienen in 4 Bänden (Par. 1882–90).
3) Edmond, belg. Schriftsteller und Rechtsgelehrter, geb. 1836 in Brüssel, erwarb sich rasch den Ruf des ersten Advokaten seines Landes, veröffentlichte zahlreiche juristische Werke und wurde ebenso ein Förderer der modernen Richtung in Kunst und Literatur. In der Politik huldigte er den fortschrittlichsten Ideen und wurde nach wiederholten Versuchen 1895 zum Senator des Hennegaus gewählt. Als Dichter trat er erst 1879 mit »Réveries d'un Stagiaire« hervor, denen er die ausgezeichneten Prosaskizzen »La Forge Roussel, scènes de la vie judiciaire« (1881), »Mon Oncle le jurisconsulte« (1884) und andre Werke folgen ließ. 1883 gründete er die führende Zeitschrift »L'Art moderne«. Endlich wandte sich P. auch der Bühne zu und ließ in Brüssel das antisemitische Tendenzstück »Jéricho« (1903), die politische Satire »L'Ambidextre« (1904) und das historische Drama »Charles le Téméraire« (1905) ausführen. Seine zahlreichen juristischen Werke, meist in Gemeinschaft mit andern verfaßt, genießen zum Teil hohes Ansehen, so der »Traité des brevets d'invention, etc.« (Brüss. 1866); »Traité usuel de l'indemnité due á l'exproprié, etc.« (1867); »Manuel uratique de la profession d'avocaten Belgique« (1869); »Traité général de l'expropriation, etc.« (1875); »Pandectes belges, etc.« (1878 ff., eine großangelegte juristische Enzyklopädie, bisher 66 Bde.); »Code général des brevets d'invention, etc.« (2. Aufl. 1886); »Bibliographie générale et raisonnée du droit belge, etc.« (1882–90); »Le droit pur. Encyclopédie, etc.« (4. Aufl., Brüss. 1901) u. a. Neuere Schriften von ihm sind: »Synthèse de l'antisémitisme« (1892), »Comment on devient socialiste« (1895), »L'Aryano-Sémitisme« (1899), die Reiseschilderungen: »El Moghreb al Aksa, une mission belge an Maroc« (1889, neue Ausg. 1893), »En Congolie« (1896) u.a.
4) Emile, Mathematiker, geb. 24. Juli 1856 in Paris, besuchte seit 1874 die École Normale supérieure und wurde 1877 Maître de conférences an der Fakultät in Paris, 1879 an der in Toulouse, 1886 Professor der Mathematik an der Normalschule und an der Sorbonne. Seine wichtigsten Arbeiten beziehen sich auf Differentialgleichungen und Funktionentheorie. Sehr reichhaltig ist sein »Traité d'analyse« (Par. 1891–96, 3 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.