- Newtonsche Farbenringe
Newtonsche Farbenringe. Gießt man ein wenig Terpentinöl auf Wasser, so breitet es sich zu einem dünnen, in prachtvollen Farben spielenden Häutchen aus; ähnliche Farben beobachtet man an alten, durch Verwitterung blind gewordenen Fensterscheiben, besonders schön aber an Seifenblasen. Sie zeigen sich überhaupt an dünnen, durchsichtigen Schichten jeder Art und werden daher Farben dünner Blättchen genannt. Fallen Lichtstrahlen auf eine dünne Schicht, so wird ein Teil an der Oberfläche zurückgeworfen, ein großer Teil aber dringt in das Blättchen ein und wird an der untern Fläche reflektiert. Die an der Hinterfläche zurückgeworfenen Strahlen folgen den an der Vorderfläche reflektierten nach und vereinigen sich mit ihnen in unserm Auge. Jene aber haben, indem sie die Dicke des Blättchens hin und zurück durchliefen, eine Verzögerung erlitten, und zwar eine um so größere, je dicker das Blättchen ist. Nun weiß man, daß das Licht in einer Wellenbewegung besteht; zwei zusammentreffende Lichtstrahlen werden sich daher gegenseitig aufheben oder verstärken, je nachdem ihr Gangunterschied eine ungerade oder gerade Anzahl von halben Wellenlängen ausmacht. Man weiß aber ferner, daß die Wellenlängen der im weißen Licht enthaltenen Farben verschieden sind. Ist nun die Dicke des Blättchens z. B. derart, daß der Gangunterschied anderthalb Wellenlängen des grünen Lichtes beträgt, so werden die längern roten Wellen nur um eine, die kürzern violetten Wellen aber um zwei Wellenlängen verzögert. Die grünen Strahlen löschen sich daher gegenseitig aus, die roten und violetten aber nicht, und das Blättchen zeigt unserm Auge eine aus Rot und Violett gemischte Purpurfarbe. Je nach der Dicke des Blättchens werden immer andre Farben aus dem zurückgeworfenen Lichte getilgt und dadurch die mannigfaltigsten Farbenmischungen hervorgebracht. Ist daher die durchsichtige Schicht nicht überall gleich dick, so erscheint sie vielfarbig gestreift; bei einer Seifenblase z. B. sieht man ihre oberste dünnste Stelle von Ringen umgeben, die im lebhaftesten Farbenschimmer erglänzen.
Man kann diese Newtonschen Farbenringe dauernd hervorrufen, wenn man eine flache Konvexlinse auf eine ebene Glasplatte legt und etwas anpreßt (Newtons Farbenglas); man erhält so zwischen den beiden Gläsern eine dünne Luftschicht, die vom Berührungspunkt nach außen an Dicke allmählich zunimmt und um diesen Punkt herum die farbigen Ringe in regelmäßiger Anordnung zeigt (s. Figur). In der Mitte erscheint sm reflektierten Licht ein schwarzer Fleck, der von konzentrischen farbigen Ringen umgeben ist, die nach außen hin immer schmäler und matter werden. Sie entstehen durch die Interferenz je zweier Strahlen, von denen der eine an der vordern, der andre an der hintern Grenzfläche der zwischen Linse und Glasplatte enthaltenen Luftschicht reflektiert worden ist. Die zum ersten, zweiten, dritten etc. Ring gehörigen Farben bezeichnete Newton als Farben erster, zweiter, dritter etc. Ordnung. Diese Farben sind:
Da die Intensität der interferierenden Strahlen nicht gleich ist, so erscheint es auffällig, daß die Ringe in monochromatischem Licht doch ganz dunkel werden. Der Grund ist nach Poisson darin zu suchen, daß in Wirklichkeit unendlich viele Strahlen zusammenwirken, da der Strahl zwischen den Grenzen der Luftschicht endlos hin und her geworfen wird. Im durchfallenden Licht zeigt das Farbenglas ebenfalls ein Ringsystem, dessen Farben jedoch weniger gesättigt sind; seine Mitte ist weiß, und die Farben der Ringe sind der Reihe nach komplementär zu denjenigen der reflektierten Ringe.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.