Lazarus [2]

Lazarus [2]

Lazarus, 1) Moritz, philosophischer Schriftsteller und Begründer der Völkerpsychologie, geb. 15. Sept. 1824 in Filehne (Posen), gest. 13. April 1903 in Meran, war zuerst für den Kaufmannsstand bestimmt, wandte sich aber bald der Wissenschaft zu, besuchte 1844–1846 das Gymnasium in Braunschweig, wo ihn sein Lehrer F. K. Griepenkerl in die Philosophie Herbarts einführte, studierte hierauf in Berlin Sprachwissenschaft, Philosophie und Geschichte und gewann auch in Vorlesungen über Rechtswissenschaft und Medizin Kenntnisse, die ihm später für seine völkerpsychologischen Forschungen wichtig wurden. Die Grundzüge dieser neuen Wissenschaft entwickelte er zuerst in dem 1851 in Prutz' »Museum« abgedruckten Aufsatz »Über den Begriff und die Möglichkeit einer Völkerpsychologie«; 1859 begründete er dann mit Steinthal die »Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft«, von der bis 1890: 20 Bände erschienen (fortgeführt als »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde« zuerst von Weinhold, jetzt von Bolte). Außerdem veröffentlichte L. die Schriften: »Die sittliche Berechtigung Preußens in Deutschland« (Berl. 1850); »Das Leben der Seele« (das. 1856–57, 2 Bde.; 3. Aufl. 1883–97, 3 Bde.); »Über den Ursprung der Sitten« (2. Aufl., das. 1867); »Über die Ideen in der Geschichte« (das. 1865, 2. Aufl. 1872); »Ideale Fragen in Reden und Vorträgen behandelt« (das. 1878, 3. Aufl. 1885); »Erziehung und Geschichte« (Bresl. 1881); »Unser Standpunkt« (Berl. 1881); »Über die Reize des Spiels« (das. 1883); »Treu und Frei. Gesammelte Reden und Vorträge über Juden und Judentum« (Leipz. 1887); »Der Prophet Jeremias« (Bresl. 1894); »Die Ethik des Judentums« (Frankf. a. M. 1898, Bd. 1 in 5. Aufl. 1904) u.a. Aus seinem Nachlaß erschienen »Pädagogische Briefe« (hrsg. von Leicht, Bresl. 1903); seine Gattin Nahida (s. unten) veröffentlichte »Sprüche von L.« (Leipz. 1899), Aussprüche aus seinen Werken. 1860 war L. als Honorarprofessor nach Bern berufen worden, wo 1862 für ihn der erste Lehrstuhl der Völkerpsychologie begründet wurde; doch kehrte er 1866 nach Deutschland zurück und wirkte von 1868–72 als Lehrer an der Kriegsakademie, von 1873–96 als ordentlicher Honorarprofessor an der Universität in Berlin; seit 1897 lebte er in Meran. L. verehrte in Herbart den Begrür der der wissenschaftlichen Psychologie; doch hat er an dessen Grundprinzipien eine fast durchgehends negative Kritik geübt, und auch die Völkerpsychologie ist ihm keineswegs aus Herbart erwachsen. Schon früh stellte L. der Psychologie die Aufgabe, die Gesetze des geistigen Lebens in den verschiedenen Gesamtheiten zu erforschen, und er eröffnete Gesichtspunkte, die den Blick der Nachfolger schärften und erweiterten. Auch durch humanitäre Bestrebungen machte sich L. verdient; 1869 und 1871 war er Präsident der ersten und zweiten israelitischen Synode. Vgl. Münz, Moritz L. (Berl. 1889); Achelis, Moritz L. (Hamb. 1900); Leicht, L. der Begründer der Völkerpsychologie (Leipz. 1904); N. Lazarus u. A. Leicht, Lebenserinnerungen von Moritz L. (Berl. 1906).

2) Nahida Ruth, geborne Sturmhöfel, Schriftstellerin, geb. 3. Febr. 1849 in Berlin, seit 1895 zweite Gattin des vorigen, in erster Ehe mit dem Theaterkritiker Max Remy (gest. 1881) verheiratet, wurde durch trübe Jugendeindrücke vorzeitig mit dem Ernste des Lebens bekannt. Nach dem Erfolg ihres Erstlingswerkes, dem Lustspiel »Die Rechnung ohne Wirt« (1869), das auf dem Wiener Burgtheater ausgeführt wurde, wandte sie sich ganz der literarischen Laufbahn zu. Als vielbeschäftigte Journalistin land sie gleichwohl Zeit, in rascher Folge Dramen, Erzählungen (»Sizilianische Novellen«, Berl. 1885; neue Ausg. u. d. T. »Heißes Blut«, 1896; »Ich suchte Dich«, das. 1898) und den Roman »Geheime Gewalten« (Dresd. 1890, 2 Bde.) zu verfassen. Die antisemitische Bewegung der 1880er Jahre veranlaßte sie zu gründlichen biblischen und jüdisch-historischen Studien, deren Ergebnisse sie in den vorurteilsfreien Büchern: »Das jüdische Weib« (Leipz. 1891; 3. Aufl., Berl. 1893) und »Kulturstudien über das Judentum« (Berl. 1893, 2. Ausg. u. d. T. »Das jüdische Haus«, Bd. 1, 1898) verwertete. Sie lebt in Meran.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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