- Krebspest
Krebspest, eine in allen Ländern Westeuropas, mit Ausnahme von Schweden und Norwegen, unter den Krebsen ausgetretene, ungemein schnell verlaufende Krankheit, an der die Tiere zu Tausenden in wenigen Tagen zugrunde gehen. Diese Epidemie ist zu Ende der 70er Jahre des 19. Jahrh. im Westen Europas (Frankreich, Belgien) zuerst aufgetreten und vernichtete Anfang der 1880er Jahre die reichen Krebsbestände Süddeutschlands und Österreichs. Sie ist seitdem regelmäßig von W. nach O. vorgeschritten. 1884 wurde die Weichsel überschritten, und zu Anfang der 1890er Jahre wurden die reichen Krebsbestände aller Arten in Rußland befallen. Wie im W., so sind auch im O. Europas die großen Ströme und die Mehrzahl ihrer Nebenflüsse von Krebsen fast völlig entblöst, und nur die Quellgebiete, besonders im Gebirge, sowie isolierte Seen zeigen namentlich im O. noch nennenswerte Bestände. Infolge der geringen noch vorhandenen Krebsmengen ist die K. zurzeit selten geworden, aber noch keineswegs erloschen, da sie hier und da auch in Deutschland alljährlich immer wieder von neuem auftritt. Die kranken Krebse werden allmählich matt, marschieren hochbeinig wie auf Stelzen, bekommen von Zeit zu Zeit krampfartige Zuckungen der Extremitäten, bis sie im Starrkrampf verenden. Vielfach werfen sie dabei spontan Scheren und Beine ab. Nach der Ursache wurde lange Zeit vergebens gesucht. Man vermutete sie in Parasiten der Kiemen und der Haut (Branchiobdelliden, die indessen trotz massenhaften Vorkommens unschädlich sind), ferner in Egeln (Distomum cirrigerum), in Sporentieren, besonders aber in Pilzen aus der Familie der Saprolegniazeen, und sprach von einer Mykosis astacina. Der eigentliche Erreger wurde 1898 von Hofer in München in dem Bacillus pestis Astaci entdeckt, der sich in allen bisher daraufhin untersuchten krebspestkranken Tieren ohne Ausnahme nachweisen ließ und auch bei künstlicher Infektion die Symptome der K. stets prompt auslöst. Derselbe Bazillus erzeugt bei Weißfischen die sogen. Schuppensträubung. Hofer machte durch seine Untersuchungen einen Zusammenhang der K. mit der allgemeinen Verunreinigung der Gewässer durch fäulnisfähige organische Substanzen der Fabrik- und Städteabwässer sehr wahrscheinlich, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. zuerst im Westen Europas auftrat. Hierdurch wurden viele Tausende von Infektionsherden im Wasser geschaffen, von denen sich Krebse und Fische direkt infizierten und auf ihren Wanderungen die Krankheit stromauf und stromab verbreiteten. Auch durch krebs- und fischfressende Vögel, den Fischotter, insbes. aber durch Krebsfanggeräte und durch Besatzkrebse konnten die äußerst widerstandsfähigen Krebspestbakterien von einem zum andern Wasser verschleppt werden und auch in nicht verunreinigten Wassern die K. erzeugen. Als bestes Vorbeugungsmittel gegen die K. ist die Reinhaltung der Gewässer zu empfehlen, ferner bei den neuerdings in großem Maßstab vorgenommenen Versuchen zur Einbürgerung des Krebses eine 14tägige Quarantäne aller Besatzkrebse in fließendem Wasser, wenn sie von weither transportiert oder von Händlern bezogen sind. Der Genuß krebspestkranker Krebse scheint für den Menschen nicht gerade schädlich zu sein, obwohl kleine Tiere, wie Ratten und Meerschweinchen, an dem Krebspestbazillus zugrunde gehen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.