- Justizstatistik
Justizstatistik. Die J. als Massenbeobachtung auf dem Gesamtgebiete der Rechtspflege ist ein wichtiger und umfangreicher Teil der Verwaltungs- und Administrationsstatistik und zerfällt in zwei Gebiete: in die Statistik der Zivilrechtspflege und jene der Strafrechtspflege, einschließlich des Gefängniswesens. Im weitern Sinne versteht man darunter die gesamte Statistik der Rechtspflege. Wie andre Zweige der Verwaltung, so kann auch die Justiz eines zahlenmäßigen Überblicks über ihre Tätigkeit nicht entbehren. Den Ausgangspunkt der J. als eines Teils der Verwaltungsstatistik bilden deshalb die unmittelbaren Bedürfnisse der Justizverwaltung, für deren Geschäftsführung sie die wichtigsten Tatsachen ihres Bereichs zahlenmäßig zusammenstellt. Sie zählt also beispielsweise die Gerichte, die Richter und die Prozesse sowie andre Rechtssachen, mit denen sie sich zu beschäftigen haben. Die J. ist demnach ursprünglich eine reine Geschäftsstatistik, d. h. es liegt außerhalb ihrer Absicht, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich in der Rechtsprechung spiegeln, zur Erscheinung zu bringen. Sie interessiert grundsätzlich nur der formale, gerichtliche Vorgang ohne Rücksicht auf seine Ursache und seine Wirkung. Alle größern Länder veröffentlichen Justizstatistiken. Die deutsche J. wird, soweit die Ordnung der Rechtspflege eine einheitliche für das Reich ist, im wesentlichen im Reichsjustizamt bearbeitet. Indes hat die Einheitlichkeit der Statistik nicht Schritt gehalten mit der Vereinheitlichung des Rechts und der Rechtseinrichtungen, indem das Bearbeitungsgebiet des Reichsjustizamtes sich nicht in gleicher Weise ausgedehnt hat. Die deutsche J. des Reichsjustizamtes wird in Jahresbänden veröffentlicht. Sie enthält 1) die Statistik der Gerichtsverfassung und Rechtsanwaltschaft mit einem Anhang über die Konsulargerichtsbezirke; 2) die Prozeßstatistik und zwar die der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und der Strafsachen und 3) die Statistik der Geschäftsbelastung der Gerichte durch die streitige Gerichtsbarkeit. Die Statistik des Reichsjustizamtes wird ergänzt durch besondere Justizstatistiken der meisten Einzelstaaten, und zwar geben größere Einzelstaaten gleichfalls selbständige Jahresbände heraus. Die preußische J. erscheint im »Justizministerialblatt«, Bayern gibt alljährlich seine eingehend bearbeiteten und umfangreichen Ergebnisse der Zivil- und Strafrechtspflege und Bevölkerungsstand der Gefängnisse und Strafanstalten heraus. Neben den Statistiken der ordentlichen Gerichte wird neuerdings eine Statistik der Tätigkeit der Gewerbegerichte jährlich im »Reichsarbeitsblatt«veröffentlicht, wo die Tätigkeit dieser Gerichte auch sonst näher verfolgt wird. Ein wichtiger Teil der J. ist die Gefängnisstatistik. Ihr wird mit Recht meist eine besondere Sorgfalt gewidmet. Da in Deutschland das Gefängniswesen Sache der Einzelstaaten ist, wird von diesen auch die Gefängnisstatistik bearbeitet. In Preußen ist die Verwaltung der Gefängnisse zwischen dem Ministerium des Innern und der Justiz geteilt. Bisher hatte nur das Ministerium des Innern eine Statistik hierüber ausgemacht, ihm ist neuerdings das Justizministerium gefolgt. In den übrigen Ländern (vgl. z. B. über Bayern oben) wird die Gefängnisstatistik meist mit den übrigen Justizstatistiken zusammen veröffentlicht; soz. B. auch in Österreich, England, Frankreich. Italien, Rußland. Mancherlei statistisches Material namentlich über die Tätigkeit der Polizei auf dem Gebiete der Rechtspflege findet man in landes- und städtestatistischen Veröffentlichungen wie in Städte- und Polizeiverwaltungsberichten der Großstädte. Aus der J. herausgewachsen ist die Kriminalstatistik und die Konkursstatistik. Diese Statistiken rechnet man nicht mehr zu der J. im engern Sinne, worunter man lediglich die bisher dargestellte Justizgeschäftsstatistik versteht. Die Kriminal- und Konkursstatistik haben in den meisten Ländern dadurch eine besondere Stellung erlangt, daß sie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung einerseits der Verbrechen und Vergehen, anderseits des Konkurses zu erfassen suchen. Demnach ist auch ihre Methode eine durchaus andre als die der Justizgeschäftsstatistik (vgl. Kriminalstatistik). Es ist wohl möglich und mit Rücksicht auf das allgemeine wissenschaftliche Interesse höchst wünschenswert, wenn auch sehr schwer durchführbar, daß auch die andern Teile der J. diesen Entwickelungsgang nehmen. Von Anfang an in diesem Sinne begründet ist die neue preußische Statistik über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger und über die Zwangserziehung Jugendlicher.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.