- Antisepsis
Antisepsis (Antiseptik, griech., wörtlich: »Fäulniswidrigkeit«), Bezeichnung einer Wundbehandlungsmethode, die von Lister in den 60er Jahren des 19. Jahrh. eingeführt wurde und eine Reformation der Wundbehandlung, ja der Chirurgie überhaupt bedeutete. Sie stützt sich auf die Untersuchungen von Pasteur über die Herkunft und Natur der Zersetzungs- und Fäulniserreger und löst das Problem, die Zersetzung der Wundsekrete zu hindern. Als wirkungsvollste chemische Substanz, welche die Fäulnis organischer Substanzen durch Vernichtung der aus der Luft eindringenden Fäulnispilze und ihrer Keime oder wenigstens durch Aufhebung ihrer Weiterentwickelung verhütet, empfahl Lister die Karbolsäure, bez. wässerige Lösungen derselben. Lister fordert die genaue Desinfektion der Wunde selbst, ihrer Umgebung und aller Gegenstände, die mit ihr in Berührung kommen, mit Karbol; um auch die atmosphärische Luft zu desinfizieren, bediente er sich eines Zerstäubungsapparats, der Karbolsprays, mittels dessen, während die Wunde der Luft ausgesetzt ist, ein seiner Nebel von Karbolsäure auf sie geblasen wurde. Die so vor Fäulniserregern geschützte Wunde mußte genäht und mit dem antiseptischen, mit Karbolsäure imprägnierten Verband vor weiterm Kontakt mit der Luft geschützt werden; der Karbolverband sog die Wundsekrete auf, desinfizierte sie und hinderte ihre Zersetzung. Namentlich von deutschen Chirurgen (Volkmann, Nußbaum u.a.) begeistert aufgenommen, begann das Listersche Verfahren (das »Listern«) seinen Siegeszug durch die Welt, und wenn auch die praktische Ausführung bald umgestaltet wurde, das Prinzip blieb und bildet die notwendige Grundlage jeder Wundbehandlung: die Heilung einer Wunde kann ohne Entzündung und Eiterung und ohne Fieber nur erzielt werden, wenn die Entzündungserreger und ihre giftigen Stoffwechselprodukte von der Wunde ferngehalten werden. Auf die A. mußte die Asepsis (s. d.) folgen, das Prinzip der modernen Wundbehandlung. Die antiseptische Wundbehandlung ist heute bei frischen Wunden (Operation) vollkommen verlassen, auch nachdem an Stelle der giftigen Karbolsäure mit ihrer schädlichen, reizenden Einwirkung auf das Körpergewebe Sublimat, Wismut, Borsäure, Jodoform u.a. getreten waren; nur im Notfall bedient man sich ihrer; bei bereits infizierten, eiterigen Wunden findet sie noch häufigere Anwendung, indem man durch Irrigation mit antiseptischen Lösungen und mit Antiseptizis imprägnierten Verbandstoffen die in die Wunde gelangten Eitererreger zu vernichten oder wenigstens ihre Vermehrung zu verhindern sucht.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.