- Hand muß Hand wahren.
Hand muß Hand wahren. Dieses Rechtssprichwort drückt den deutschrechtlichen Grundsatz aus, daß der Eigentümer seine bewegliche Habe, die er einem andern überlassen oder anvertraut hatte, nur von diesem, nicht aber vom dritten Besitzer zurückverlangen kann. Im Gegensatz hierzu konnte nach römischem Rechte der Eigentümer einer Sache diese überall und von jedem Besitzer klagend fordern (»Ubi rem meam invenio, ibi vindico«). – Die Formel H. m. H. w. findet sich im Sachsenspiegel und andern Rechtsquellen des Mittelalters. Denselben Sinn drücken die Sprichwörter aus: »Habe hat kein Geleit«, »Wo einer seinen Glauben gelassen hat, muß er ihn wiedersuchen«, »Les meubles n'ont point de suite«. Mit dem römischen Recht kam im gemeinen deutschen Rechte der römisch-rechtliche Grundsatz zur Geltung, während der Satz H. m. H. w. mit mancherlei Abweichungen in einzelnen Gegenden sich erhielt und auch in neuere Gesetzgebungen, insbes. den Code civil und das österreichische bürgerliche Gesetzbuch Eingang fand. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist wieder zu dem deutschrechtlichen Grundsatz zurückgekehrt, indem es prinzipiell den schützt, der entgeltlich oder unentgeltlich durch ein Rechtsgeschäft etwas erworben hat, es sei denn, daß der Erwerber hierbei nicht in gutem Glauben war, d. h. wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehörte (§ 932), oder daß es sich um Sachen handelt, die dem Eigentümer, bez. seinem unmittelbaren Besitzer (s. Besitz) gestohlen, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen waren (§ 935). Geld und Inhaberpapiere (s. d.) sowie Sachen, die im Weg öffentlicher Versteigerung veräußert werden, können jedoch auch, wenn sie gestohlen oder verloren wurden, erworben werden (§ 935, Abs. 2). Da der »gute Glaube« (s. d.) vom Gesetz als vorliegend angenommen wird, muß der Eigentümer dem Erwerber nach weisen, daß er nicht gutgläubig war, oder daß die Sachen gestohlen wurden.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.