- Griséldis
Griséldis (Griselda, Griselidis, Grisilla, Grisardis), die Heldin einer der rührendsten Sagen des Mittelalters. G. war die Tochter eines armen Landmannes in Piemont, die Markgraf Walter von Saluzzo ihrer Schönheit wegen zur Gemahlin erhob. Um ihre Treue und Demut zu prüfen, ersinnt er verschiedene grausame Proben, läßt ihre beiden Kinder beiseite schaffen und gebietet ihr endlich, in ihre heimische Hütte zurükzukehren, weil er eine andre Gattin nehmen wolle. G. fügt sich in allem demütig dem Willen des Markgrafen, worauf dieser, von ihrer Aufopferungsfähigkeit nun überzeugt, mit der Wahrheit hervortritt, ihr die totgeglaubten Kinder zuführt und fortan mit ihr in der glücklichsten Ehe lebt. Bocaccio hat die Sage in der letzten Novelle seines »Decamerone« bearbeitet; auf dieser Bearbeitung beruht Petrarcas lateinische Nachbildung; diese ist es zumeist, durch welche die Sage im übrigen Europa verbreitet worden ist. Eine deutsche Übertragung Petrarcas hat Heinrich Steinhöwel veranstaltet (Ulm 1471), nachdem schon im F. 1436 der Nürnberger Kartäuserpriester Erhart Groß die Novelle lateinisch und deutsch als »Grisardis« frei bearbeitet hatte. Auf Steinhöwel geht das deutsche Volksbuch zurück. Von den epischen Behandlungen des Stoffes nennen wir hier nur die von Geoffrey Chaucer in seinen »Canterbury tales« und die von Ch. Perrault in seinen »Contes de ma mère l'Oye« (1691). Von den dramatischen Behandlungen seien erwähnt: das französische »Mystère de G.« (1393 verfaßt); die Komödie »Die geduldige und gehorsame Markgräfin Griselda« von Hans Sachs (1546 gedichtet); die »Comedie of patient Grisill« der englischen Dichter Decker, Chettle und Haughton (1599) und aus neuerer Zeit die Oper »Griselda« von Paër und das bekannte Drama »G.« von Fr. Halm, der in dessen der Fabel eine andre Wendung gibt. Vgl. R. Köhlers Artikel »Griselda« in Ersch und Grubers Enzyklopädie; v. Westenholz, Die Griseldissage in der Literaturgeschichte (Heidelb. 1888); Strauch in der »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd. 29, S. 373, u. Bd. 36. S. 241 (Berl. 1835 u. 1892).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.