Graßmann

Graßmann

Graßmann, 1) Hermann Günter, Mathematiker und Sprachforscher, geb. 15. April 1809 in Stettin, gest. daselbst 26. Sept. 1877, Sohn des durch seine kristallographischen Untersuchungen bekannten Justus Günter G. (gest. 1852 in Stettin), studierte seit 1827 in Berlin Theologie und Philologie, später auch Mathematik, und wurde dann Lehrer in Stettin, schließlich Nachfolger seines Vaters als Professor der Mathematik an dem dortigen Gymnasium. In seinem genialen Werk: »Die Wissenschaft der extensiven Größen oder die Ausdehnungslehre« (Leipz. 1844, 2. Aufl. 1878) entwickelte er einen eigentümlichen geometrischen Kalkül, d. h. ein Verfahren, um mit den Punkten, Geraden und Ebenen selbst zu rechnen, außerdem verwendete er darin zum erstenmal den allgemeinen Begriff der n-fach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten. Wegen der philosophischen Darstellungsweise fand aber dieses Werk fast gar keine Beachtung, und nicht besser erging es einer ganz neuen Bearbeitung der Ausdehnungslehre, die G. 1862 veröffentlichte (Berlin). Er wandte sich nun der Sprachforschung, besonders dem Sanskrit, zu und fand bald allgemeine Anerkennung. Erst in seinen letzten Lebensjahren sing man auch an, seine mathematischen Leistungen mehr zu beachten. Von seinen Schriften sind noch zu nennen: »Geometrische Analyse, geknüpft an die von Leibniz erfundene geometrische Charakteristik«, preisgekrönt und herausgegeben von der Jablonowskyschen Gesellschaft (Leipz. 1847), ferner seine »Neue Theorie der Elektrodynamik« (in Poggendorffs »Annalen«, Bd. 64), seine »Theorie der Farbenmischung« (ebenda, Bd. 89), auch schrieb er Lehrbücher der Arithmetik und der Trigonometrie (Berl. 1861 u. 1865). Von hohem Wert sind seine beiden großen sprachwissenschaftlichen Werke: »Wörterbuch zum Rig Veda« (Leipz. 1875) und »Übersetzung des Rig Veda« (das. 1876–77). Seine »Gesammelten mathematischen und physikalischen Werke« werden auf Veranlassung der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften von F. Engel u. a. herausgegeben (bis jetzt Bd. 1 u. 2 in je 2 Teilen, Leipz. 1894–1904). Sein Leben beschrieb V. Schlegel (Leipz. 1878).

2) Robert, Bruder des vorigen, geb. 8. März 1815 in Stettin, gest. daselbst 14. Aug. 1901, studierte Theologie, Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, war 1841–48 Lehrer, dann Herausgeber der »Stettiner Zeitung« und der »Pommerschen Zeitung«. Er schrieb zahlreiche halb philosophische, halb mathematische Werke: »Die Formenlehre oder Mathematik« (Stett. 1872); »Die Weltwissenschaft oder Physik« (das. 1862–73, 2 Bde.); »Die Lebenslehre oder Biologie« (das. 1872); »Die Wissenschaftslehre oder Philosophie« (das. 1876, 4 Bde.); »Das Weltleben oder die Metaphysik« (das. 1881); »Das Pflanzenleben« (das. 1882); »Das Gebäude des Wissens« (das. 1882–90, 10 Bde.). In seinen letzten Lebensjahren veröffentlichte er Broschüren gegen die Morallehren des heil. Liguori, die ihm mehrere Prozesse zuzogen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Graßmann — oder Grassmann ist der Name von Antjekathrin Graßmann (* 1940), deutsche Historikerin und Archivarin Ferdinand Graßmann (1843–1918), Jurist und Mitglied des Deutschen Reichstags Franz Grassmann (* 1987), österreichischer Bahn und… …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann — Graßmann, Hermann, Mathematiker und Orientalist, geb. 15. April 1809 zu Stettin, Gymnasiallehrer das., gest. 26. Sept. 1877; Hauptwerke: »Ausdehnungslehre« (1862), »Wörterbuch zum Rigweda« (1875), Übersetzung des »Rigweda« (1876 77). – Vgl.… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Graßmann — Grạßmann,   Hermann Günther, Mathematiker, Physiker und Sprachforscher, * Stettin 15. 4. 1809, ✝ ebenda 26. 9. 1877; nach dem Studium der Theologie 1832 Gymnasiallehrer in Stettin, ab 1834 Mathematiklehrer in Berlin. In der Mathematik war… …   Universal-Lexikon

  • Gräßmann — Adolf Gräßmann ist der Erfinder der Mikroinjektion, dem Einbringen beispielsweise von DNA in das Cytoplasma oder den Kern einer Zelle mit Hilfe einer Mikrokapillare. Gräßmann entwickelte 1968 noch als Doktorand das Verfahren der Mikroinjektion,… …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann-Identität — Kreuzprodukt Das Kreuzprodukt (auch Vektorprodukt, vektorielles Produkt oder äußeres Produkt genannt) zweier Vektoren und im dreidimensionalen reellen Vektorraum ist ein …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann Identität — Kreuzprodukt Das Kreuzprodukt (auch Vektorprodukt, vektorielles Produkt oder äußeres Produkt genannt) zweier Vektoren und im dreidimensionalen reellen Vektorraum ist ein …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann-Plücker-Relation — Die Graßmann Plücker Relationen beschreiben Beziehungen zwischen Determinanten mit teilweise übereinstimmenden Spalten. Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen und Sätze 1.1 Allgemeine Form 1.2 Konkrete Form für niedrige Dimensionen …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann-Algebra — Die Graßmann Algebra oder äußere Algebra eines Vektorraums V ist eine assoziative, schiefsymmetrisch graduierte Algebra mit Einselement. Sie ist – je nach Definition – Unteralgebra oder eine Faktoralgebra einer antisymmetrisierten Tensoralgebra… …   Deutsch Wikipedia

  • Graßmann — Berufsname auf mann, Graser …   Wörterbuch der deutschen familiennamen

  • Hermann Graßmann — Hermann Günther Graßmann[1] (* 15. April 1809 in Stettin; † 26. September 1877 in Stettin) war ein deutscher Mathematiker und Sprachwissenschaftler. Er gilt als eigentlicher Begründer der …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”