- Dynamismus
Dynamismus (griec.), im naturphilosophischen Sinne jene Theorie der Materie, welche diese als eine Erscheinungsform wirksamer Kräfte zu erklären sucht, während die entgegengesetzte mechanische Theorie (s. Mechanismus) die Materie als träge Masse betrachtet, die nur durch die ihr von außen mitgeteilte Bewegung Wirkungen hervorbringt. Der Vater des D. ist Leibniz (s. d.), während die streng mechanische Auffassung der Materie durch Descartes (s. d.) begründet wurde. Jener ging hauptsächlich davon aus, daß die physikalische Undurchdringlichkeit der Körper aus deren Trägheit allein nicht begreiflich, sondern als eine tätige Kraft aufzufassen sei, vermöge deren ein Körper jeden gegen ihn andringenden andern zurücktreibt, und durch die auch die sogen. Mitteilung der Bewegung beim Stoß erfolgt; er behauptete aber noch weiter, daß nicht nur jedem Stoffteilchen eine wirksame Kraft innewohne, sondern daß überhaupt die Materie ihrem Wesen nach wirksame Kraft sei, nur im Wirken bestehe überhaupt das Dasein. Der gemäßigte D., der einen kraftbegabten Stoff annimmt, ist in der Gegenwart in Verbindung mit der Voraussetzung der atomistischen Zusammensetzung der Materie die bei den Naturforschern vorherrschende Ansicht, wogegen der extreme D., der den sogen. Stoff selbst nur als eine Erscheinungsform bestimmter Kraftwirkungen betrachtet, weniger Anhänger gefunden hat. Vollkommen aufgegeben ist insbes. die von Kant aufgestellte Theorie der Materie, die mit der Voraussetzung der Kontinuität (s. d.) der letztern die dynamische Auffassung derselben verbindet und die Raumausdehnung der Körper durch das Gleichgewicht einer anziehenden und einer abstoßenden Kraft zu erklären sucht. Dagegen haben einige neuere Naturforscher (Boscovich, Fechner, Faraday, Weber, Zöllner u.a.) die Atome unter völliger Preisgabe des Merkmals der Ausdehnung und der Erfüllung eines noch so kleinen Raumes, also rein dynamisch, als bloße Kraftpunkte oder Kraftzentren definiert. So wenig nun einerseits die einseitig mechanische Auffassung der Materie genügend erscheint, so stößt doch anderseits auch die streng durchgeführte dynamische Betrachtungsweise auf nicht minder schwere Bedenken begrifflicher Art, da der Begriff der Kraft seinem Ursprung nach die Vorstellung eines Trägers, der Begriff des Wirkens die eines wirkenden Subjekts voraussetzt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.