- Akkord [1]
Akkord (franz. accord, »Übereinstimmung«), in der Musik ein Zusammenklang mehrerer Töne (Harmonie). Die ältere Musiktheorie (bis zu Ende des 16. Jahrh.) sah im A. nur das zufällige Zusammemtreffen der Töne verschiedener Stimmen. Doch wies bereits Zarlino (»Istituzioni armoniche«, Vened. 1558) auf die grundlegende Bedeutung des Dur- und Mollakkords hin. Durch die um 1600 aufkommende Generalbaßbezifferung (s. d.) bildete sich erstmalig eine Art Schematisierung der möglichen Zusammenklänge durch die bald allgemein angewandten Abkürzungen für die häufigsten Formen der Akkordbildung. Anschließend an die Generalbaßziffern wurde jeder Zusammenklang nach den Ziffern benannt, die ihn fordern, dabei aber (wohl anschließend an Zarlinos Ausweisung) die aus Terz und Quinte bestehende, am häufigsten vorkommende Bildung, welche die Generalbaßbezifferung unbezeichnet ließ, Dreiklang (Armonia perfetta, Harmonie parfaite, engl. Common chords) benannt. Der durch eine 6 verlangte, aus Terz und Quinte bestehende A. hieß der Sextakkord, der durch eine 2 verlangte, aus Sekunde, Quarte und Sexte bestehende Sekundakkord, der durch 7 verlangte, aus Terz, Quinte und Septime bestehende Septimenakkord etc. Durch J. Ph. Rameau (»Traité de l'harmonie«, Par. 1722) wurde an Stelle dieser rein schematischen, an die Bezifferung anlehnenden Akkordbenennung, bei der nicht einmal Zarlinos Unterscheidung des Dur- und Mollakkords kenntlich war und auch z. B. h d f einen Dreiklang auf h vorstellte, eine Gruppierung der Akkorde nach ihrem harmonischen Sinne versucht. Seine Lehre von der »Umkehrung der Akkorde«, die z. B. c e g, e g c und g c e als verschiedene Lagen desselben Akkords betrachtet, wurde schnell allgemein anerkannt; doch blieb die Generalbaßterminologie und -bezifferung trotzdem in allgemeinem Gebrauch, und die neue Lehre wurde an dieselbe angeknüpft, derart, daß nun z. B. alle Sextakkorde und Quartsextakkorde als Umkehrungen von Dreiklängen betrachtet wurden, ebenso alle Quintsextakkorde, Terzquartsextakkorde und Sekundakkorde als Umkehrungen von Septimenakkorden. Als Grundakkorde (Accords fondamentaux) galten nunmehr alle aus übereinander gestellten Terzen gebildeten, der Dreiklang, Septimenakkord, Nonenakkord und bei den Schematikern des ausgehenden 18. Jahrh. auch noch der Undezimen- und Terzdezimenakkord:
Je nachdem man die hier notierten Akkorde mit dem einen oder andern der vorgezeichneten Schlüssel liest, hat man einen A. ganz andrer harmonischer Bedeutung vor sich, z. B. in dem Dreiklang einen Durakkord, Mollakkord oder verminderten Dreiklang, in allen Fällen aber nach der damit gegebenen Fassung der Lehre einen Grundakkord. Soweit man nun irgend einen Zusammenklang durch Oktavversetzungen einzelner Töne auf einen solchen Grundakkord zurückführen konnte, erkannte man ihn als eine Umkehrung eines solchen, auch wenn z. B. für den Undezimen- oder Terzdezimenakkord der eine oder andre der mittlern Töne fehlte. Für den damit inaugurierten nüchternen Schematismus darf Rameau nicht verantwortlich gemacht werden; derselbe kommt vielmehr auf Rechnung seiner geistlosen Nachfolger J. A. Sorge (1745 ff.), J. Ph. Kirnberger (1774), J. H. Knecht (1792 f.). Leider wurde nur von wenigen Zeitgenossen eine andre, viel wichtigere, in Rameaus »Traité« skizzierte Lehre verstanden, nämlich die Lehre von der Bedeutung der Akkorde für die Logik des Satzes, deren Fundament die Ableitung der dissonanten Akkorde von den konsonanten ist. Rameau weiß nichts von gleichberechtigten Dreiklängen auf allen Stufen der Tonleiter, sondern führt vielmehr die Skala auf die Elemente dreier konsonanten Akkorde zurück, nämlich der Tonika, Dominante u. Subdominante. Der verminderte Dreiklang h d f ist für ihn in C-Dur eine unvollständige Form des Dominantakkords mit Septime (statt g h d f), und für h d f a nimmt er in C-Dur ebenso ein Fehlen des eigentlichen Grundtons g an, sieht aber in A-Moll in der Bildung einen D-Mollakkord mit hinzugefügter Unterterz h. Nur J. Fr. Daube (»Generalbaß in drei Akkorden«, 1756) hat Rameaus Ausweisung der Tonika und der beiden Dominanten als Grundpfeiler der tonalen Harmonik begriffen, und erst Gottfried Weber (»Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst«, 1817 ff.) nahm einen neuen Anlauf zum Ausbau der Lehre von der Bedeutung der Akkorde, indem er die Akkordbezeichnung von der Generalbaßbezifferung emanzipierte und die Bezeichnung des Durakkords durch einen großen und die des Mollakkords durch einen kleinen Buchstaben (C, c) zum Ausgang nahm. Die Webersche Akkordchiffrierung wurde dann unter andern von Öttingen (»Harmoniesystem in dualer Entwickelung«, 1866) und Hugo Riemann (»Skizze einer neuen Methode der Harmonielehre«, 1880) aufgenommen und weiter ausgebaut. Wenn auch nicht um die Akkordbenennung und Chiffrierung, so doch um die Erklärung der Akkorde machte sich Fr. J. Fétis (»Traité complet de la théorie et de la pratique de l'harmonie«, 1844) verdient. Die nunmehr geklärte Lehre von der Bedeutung der Akkorde unterscheidet zunächst konsonante und dissonante Akkorde. Konsonant sind nur der Durakkord und der Mollakkord. Dissonante Akkorde sind nur zu erklären als Umgestaltungen irgend welcher Art von konsonanten, haben also nicht einen primären, sondern einen abgeleiteten Sinn. Die Hauptgruppen, in die man die dissonanten Akkordbildungen scheidet, sind: 1) Dur- oder Mollakkorde, denen ein dissonierender (d.h. ein ihnen fremder Ton) hinzugefügt ist (z. B. c e g | b, c e g | a, c e g | h; fis | a ce etc.) oder auch noch ein vierter, ja fünfter Ton (g h d | f a, g h d | f a c etc.).
2) Durakkorde oder Mollakkorde, in denen an Stelle eines seiner Töne ein Nachbarton eingestellt ist, sei es, daß er noch aus einer vorhergehenden Harmonie beibehalten ist, um sich erst später in dem Akkordton fortzubewegen (Vorhaltsakkorde, vgl. Beispiel 1), oder daß von einem Akkordtöne aus zu einem Nachbartone fortgeschritten wird (durchgehende Dissonanzen, vgl. Beisp. II). 3) Durakkorde oder Mollakkorde, in denen ein Ton chromatisch verändert ist (alterierte Akkorde), z. B. c e g ♯, ♭ a c e etc. 4) Das gleichzeitige Auftreten mehrerer der unter 1–3 aufgewiesenen Veränderungen im Dur- oder Mollakkord. Nähere Nachweise der allmählichen Entwickelung s. bei H. Riemann, Geschichte der Musiktheorie im 9.–19. Jahrhundert (Leipz. 1898).
Mit A. (Stimmwerk) bezeichnete man auch früher eine Gruppe von Instrumenten derselben Familie von verschiedener Größe und Tonlage (in Sopran-, Alt-, Tenor- und Baßlage), wie solche im 16. Jahrh. für den instrumentalen Vortrag von Gesangskompositionen sich herausgebildet hatte. Ein solcher A. ist z. B. unser Streichquartett. In der Violin- und Lautenliteratur des 17.–18. Jahrh. versteht man auch unter A. (accord) die zu Anfang einer Komposition gegebene Anweisung für eine ausnahmsweise vorgeschriebene Stimmung (scordatura) des Instruments.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.