- Weißes Meer
Weißes Meer (russ. Bjéloje-Móre), Teil des Nördlichen Eismeeres (s. Karte »Europäisches Rußland«), der zwischen dem Kap Kanin-Noß, der nordwestlichen Spitze der Halbinsel Kanin, und dem Heiligen Vorgebirge (Swjatoi-Noß) an der Küste der Halbinsel Kola südwärts bis über 64° nördl. Br. in das russische Gouv. Archangel eindringt und sich hier in die Mesenbucht und die Dwinabucht (Golf von Archangel) im O., die Onegabucht im S. und die Kandalakskajabucht im Westen teilt. Bei seinem Eingang zwischen den genannten Kaps hat es eine Breite von 170 km, die sich dann vermindert. Sein Flächenraum beträgt etwa 84,000 qkm. Im Eingang zum Onegabusen liegt die Gruppe der Solowezkischen Inseln mit altem befestigten Kloster und zoologischer Station (s. Solowezk). Die Tiefe des Meeres schwankt zwischen 100 und 350 m, in den Buchten ist sie unter 100 m; der Salzgehalt erreicht im N. 3 Proz., sinkt aber im S. auf 2,5 und weniger. An der Oberfläche erwärmt sich das Wasser im Spätsommer manchmal als 13°; in 20 m Tiefe findet man nur noch 5°, in 40 m Tiefe 0°, in 50 m -0,5° und von 100 m bis zum Grunde während des ganzen Jahres die sehr niedrige Temperatur von -1,5°. Das Weiße Meer ist nur etwa 100 Tage im Jahr, nämlich von Ende Mai bis Anfang September, frei von festem Eis (jedoch nicht immer von umherschwimmenden Eisschollen), weshalb sich der Verkehr auf demselben auf die Monate Juni, Juli und August beschränkt. Häufige und starke Nebel bedecken das Meer bis in den Juli hinein. Durch zwei Kanäle, welche die Dwina mit der Wolga und dem Dnjepr verbinden, wird die direkte Schiffahrt aus dem Schwarzen und Kaspischen in das Weiße Meer ermöglicht. Die Anwohner, Russen (die sogen. Pom oren), Lappen, Finnen und Samojeden, beschäftigen sich mit Fischfang, Robbenschlag und Jagd. Der Hauptstapelplatz ist Archangel (s. d.). Kleinere Häfen sind: Onega, Kowda, Mesen und Kem, wo besonders Bauholz und allerlei hölzerne Geräte ausgeführt werden. Der Umsatz sämtlicher Häfen betrug 1905: 22,5 Mill. Rubel in der Ausfuhr und 2,8 Mill. in der Einfuhr. Den Seeweg nach dem Weißen Meer entdeckte der Engländer Richard Chancellor 1553, als zur Auffindung einer nördlichen Durchfahrt unter dem Oberbefehl Hugh Willoughbys eine Polarexpedition veranstaltet worden war. Die Engländer legten damals an der Mündung der Dwina beim Kloster des Erzengels Michael das kleine Fort Archangel als Hauptniederlagsort ihres Handels nach Rußland an und genossen bis zur Gründung St. Petersburgs große Handelsprivilegien. Nur im Sommer ist die Seeschiffahrt nach dem Weißen Meer lebhaft. Vgl. Knipowitch, Expedition an der Murmanküste, Bd. 1 (russ., Petersb. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.