- Vicĭa
Vicĭa L. (Wicke), Gattung der Leguminosen, einjährige oder ausdauernde, kletternde, selten niederliegende oder aufrechte Kräuter mit paarig gefiederten, in eine oft verzweigte Ranke oder in eine zurückgekrümmte Borste auslaufenden Blättern, großen, achselständigen, einzeln oder in Trauben stehenden Blüten und länglichen, zusammengedrückten, einfächerigen, zweiklappigen Hülsen mit kugeligen, selten zusammengedrückten Samen. Etwa 120 Arten in den gemäßigten Gebieten der nördlichen Halbkugel und im südlichen und westlichen Südamerika. V. Faba L. (Ackerbohne, Buff-, Puff-, Vieh-, Feld-, Saubohne, s. Tafel »Futterpflanzen I«, Fig. 8), einjährig, mit starkem, aufrechtem, 0,6–1,25m hohem Stengel, ein- bis dreipaarig gefiederten Blättern ohne Wickelranken, zwei- bis vierblütigen Trauben, schwarz gefleckten weißen Blüten und dickschaligen, feinflaumigen, zwei- und mehrsamigen Hülsen, wird in zahlreichen Varietäten kultiviert, die in zwei Gruppen zerfallen: Die V. Faba minor (gemeine Feldbohne, Pferde-, Eselsbohne), mit stets mehrsamigen Hülsen und nicht plattgedrückten Samen, wird als Viehfutter gebaut. Die Bohnen liefern für Pferde ein sehr nährendes Futter, dienen auch zur Mästung der Schweine und gemahlen für Milchvieh. Auch die weichen Teile des Strohes und der Kaff haben großen Futterwert, die harten Stengel benutzt man gequetscht als Einstreu. Vgl. Hülsenfrüchte und Hülsenfruchtbau. V. Faba major (Buffbohne, die größte Spielart Mazagan- oder Windsorbohne) wird selten 120 cm hoch, hat Hülsen mit 2–5 plattgedrückten Bohnen und wird in Norddeutschland in Gärten, in Mittel- und Süddeutschland auch auf Feldern gezogen; die jungen Bohnen werden in manchen Landstrichen wie junge Erbsen gegessen. Die Ackerbohne stammt vielleicht von der im Mittelmeergebiet und im Orient verbreiteten V. narbonensis und wurde im Altertum allgemein kultiviert. Man fand sie in Ägypten und in den Trümmern Trojas. Neolithische Funde kennt man aus Italien, Spanien, Ungarn; in Deutschland tritt sie erst in der Eisenperiode auf. Die schwarzen Flecke in der Blüte galten im Altertum als Schriftzeichen des Todes und die Bohne daher auch als Symbol des Todes; gewisse ägyptische Priester durften deshalb keine Bohnen essen, und Pythagoras verbot seinen Schülern den Genuß von Bohnen; bei Trauerfesten wurden vorzüglich Bohnen als Speise aufgetragen. Auf dem heiligen Wege nach Eleusis stand ein dem Bohnengott Kyamites geweihter Tempel, und bei den Bohnenfesten der Athener wurden besonders Bohnen gegessen. Weiße und schwarze Bohnen dienten zur Abstimmung. Bei den Lemurien warf man nachts schwarze Bohnen über den Kopf, um sich und die Seinigen zu lösen, und bei den Palilien sprang man über ein mit Bohnenstroh entzündetes Feuer (vgl. Bohne). Die einjährige V. narbonensis L. (römische Wicke, schwarze Erbse, schwarze Ackerbohne) wird in Italien und Frankreich, aber auch bei uns in leichtem Boden als Viehfutter gebaut und gibt in mildem Klima eine reichliche Kornmasse. V. sativa L. (gemeine Wicke, Futterwicke, Feldwicke, s. Tafel »Futterpflanzen I«, Fig. 7) ist eine der ältesten Kulturpflanzen, stammt vom Südabhang des Kaukasus und hat sich über die ganze Erde verbreitet. Beide werden als Grünfutter (auch als Mengfutter) und zur Samengewinnung kultiviert, eignen sich besonders für bindigen Boden und haben neben dem Klee für die Wirtschaft große Bedeutung (vgl. Futterbau). Die Samen dienen als Geflügelfutter und geschroten zur Mästung des Viehes, besonders der Schweine; ihr Mehl wird bisweilen mit Getreidemehl gemischt und zu Brot (Wickenbrot) verbacken. Über die Zusammensetzung des Grünfutters, des Strohes und der Samen s. das Textblatt zum Artikel »Futter«. V. villosa Roth (Sandwicke, zottige Wicke), die auf Äckern und Wiesen, besonders auch unter der Saat als Unkraut auftritt, wächst wie die Lupine auf leichtestem Sandboden, wird 60–150 cm hoch, ist leicht zu ernten und bringt doppelten Ertrag. Stroh und Spreu bilden das schönste Schaffutter gleich den Linsen, die Körner aber werden von allem Vieh mit Begierde gefressen. Bei Herbstaussaat kann sie 14 Tage früher geerntet werden und gibt höhern Ertrag. Auf besserm Boden gibt sie, auch mit Roggen gemischt, schon Mitte Mai den ersten Schnitt zu Grünfutter und wächst gut nach. Die Linsenwicke (V. tetrasperma Mnch., Ervum Ervilia L.), einjährig, mit meist zehnpaarig gefiederten Blättern mit Stachelspitze, weißlichen Blüten und perlschnurartig eingeschnürten Hülsen, wächst namentlich in Flußtälern der Rheinprovinz unter der Saat, hat sehr kurze Vegetationszeit, gedeiht auf leichtem Boden und wird als Futterpflanze kultiviert. Über V. amphicarpa s. Tafel »Erdfrüchtler« mit Text.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.