- Markscheidekunst
Markscheidekunst, ein Teil der allgemeinen Vermessungskunst, beschäftigt sich mit der Ausmessung und bildlichen Darstellung (Grubenrisse, Grubenbilder) der unterirdischen Grubenräume sowie mit den Richtungsangaben zur Leitung des bergmännischen Betriebs. Bei dem Einfluß der jetzt sehr ausgedehnten Grubenbetriebe auf die Tagesoberfläche muß der Markscheider auch mit der Vermessung der Oberfläche, d. h. mit der Geodäsie und Feldmeßkunst vertraut sein. In den Anfängen des Bergbaues bei den damals sehr kleinen Erzgrubenfeldern galt es, die über Tage bezeichnete Grenze (Mark) eines Grubenfeldes in den unterirdischen Räumen ebenfalls anzugeben und so den zur Grube gehörigen Feldesteil abzuscheiden, d. h. die Markscheide, wie eine Grubenfeldgrenze jetzt noch heißt, unterirdisch zu bestimmen. Die Markscheider werden in Preußen nach den Vorschriften vom 24. Okt. 1898 auf Bergakademien ausgebildet, bedürfen einer Konzession und stehen unter der Aussicht des Oberbergamts. Der Markscheider kann in der Grube nur die Polygonmessung anwenden. Zur Vermessung der Gruben wird ein Polygonzug durch deren Räume gelegt, d. h. eine Reihe aneinanderstoßender, gerader Linien (Polygonseiten), von denen je zwei einen Winkel (den Polygonwinkel) einschließen. Die Länge der Seiten und die Winkel werden gemessen, und die Höhenlage der wichtigsten Polygonpunkte wird durch Nivellement bestimmt. Durch das Messen rechtwinkliger Abstände von den Polygonseiten in wagerechter und senkrechter Richtung wird die Gestalt der unterirdischen Grubenräume aufgenommen. Alle für den bergmännischen Betrieb wichtigen Erscheinungen, z. B. Verwerfungen und Störungen der bebauten Lagerstätte, das Vorkommen von Erz, das Abzweigen von Erzadern, die Beschaffenheit des Nebengesteins etc., werden im Anschluß an das Polygonnetz ebenfalls aufgenommen. Das erste Winkelmeßinstrument des Markscheiders war der Kompaß. Die älteste Form (der Setzkompaß) wird in dem 1556 erschienenen Buche von Agricola »De re metallica« zuerst beschrieben. Im J. 1633 wurde von Balthasar Rößler das Hängezeug erfunden, dessen von J. G. Studer 1785 verbesserte Form jetzt noch im Gebrauch ist. Beim Gebrauch des Hängezeugs (s. Markscheiderkompaß) werden die Polygonseiten immer durch ausgespannte Schnüre aus Hanf oder aus Messingdraht gebildet. An jede Schnur wird der Kompaß gehängt, wodurch die Nullinie seiner Kreisteilung mit der Schnur parallel wird. Die Magnetnadel zeigt dann den Winkel an, den diese Linie mit der Magnetrichtung einschließt (das Streichen). Die Neigung der Schnur wird mit einem zum Anhängen eingerichteten Gradbogen (s. d.) gemessen und aus der Schnurlänge und dem Neigungswinkel die Sohle, d. h. die Projektion der geneigten Schnur, und die Seigerteufe, d. h. der Höhenunterschied vom Anfangs- und Endpunkte der Schnur, berechnet. Das in den Gruben immer mehr verwendete Eisen zwang den Markscheider, den Theodoliten (s. d.) auch unterirdisch anzuwenden, ein Instrument, das 1835 in Deutschland aufkam und für Markscheider zuerst von F. W. Breithaupt in Kassel hergestellt wurde. Der Markscheider wendet nur den Repetitionstheodoliten an und stellt ihn zur Winkelmessung zentrisch über oder unter den Polygonpunkten auf. Das Zentrieren geschieht entweder mit Hilfe eines Lotes, das von dem in der Firste markierten Polygonpunkt herabhängt und mit seiner Spitze auf eine der Verlängerung der Zentralachse des Theodoliten befindlichen Marke einspielt, oder mit Hilfe von Untersätzen. Solcher Untersätze müssen drei vorhanden und so eingerichtet sein, daß sowohl der Theodolit als auch die Signale sofort zentrisch darauf gesetzt werden können (die Breithauptsche Steckhülsenvorrichtung und die Freiberger Ausstellung). Die Längen werden bei Theodolitmessungen meistens mit dem stählernen Meßband, und zwar in horizontalen Strecken auf der Sohle, in geneigten mit freischwebendem Band unter Zuhilfenahme eines Spannungsmessers ermittelt. Der Markscheider wendet zum Höhenmessen, soweit es möglich ist, das geometrische Nivellement an, d. h. er arbeitet mit einem Libelleninstrument und einer Nivellierlatte (s. Nivellieren). Bei mehr als 10° ansteigenden Strecken muß der Markscheider zum trigonometrischen Höhenmessen mit dem Gradbogen oder mit dem Höhenkreis des Theodoliten übergehen. Mit den Höhenbestimmungen ist oft auch das Messen dec Schachttiefen verbunden.
Dies geschieht entweder unmittelbar an den Schachtwandungen mit dem Stahlband (bis 500 m lang) und mit einem besondern Maßgestänge oder unmittelbar mit Stäben an dem Förderseil, bez. an einem zu diesem Zweck eingehängten Draht, der mit einem Gewicht beschwert ist und langsam aufgewunden wird. Die schwierigsten Aufgaben des Markscheiders sind die Durchschlagsangaben, d. h. die Richtungen für Strecken und Stollen anzugeben, die aus weiter Entfernung auseinander zugetrieben werden und in wagerechter und senkrechter Richtung auseinander treffen sollen, oder die Angriffspunkte anzugeben, wenn ein abzuteufen der Schacht zu gleicher Zeit in mehreren Horizonten (Sohlen) begonnen werden soll. Hierbei ist häufig die Lage des unterirdischen Polygonzuges gegen die des Tagepolygons genau zu bestimmen oder, wie der Markscheider sich ausdrückt: der Grubenzug ist zu orientieren. Dies ist schwierig, wenn nur ein Schacht vorhanden ist. Die Orientierung erfolgt entweder durch Lote oder mittels des Magnets. Im erstern Falle werden zwei Lote in den Schacht gehängt und dadurch wird eine kurze Linie, deren Länge und Richtung übertage genau bestimmt ist, in die Grube übertragen. Der Anschluß an die Lote auf der Schachtsohle wird durch das Schwingen der Lote erschwert. Mittel zur Beseitigung dieser Schwierigkeit sind die Schaufellote von Herrig, die Lotteller von Schmidt und die Okularskala von Brathuhn. Bei der Orientierung mittels des Magnets wird das Streichen einer Polygonseite übertage und einer in der Grube mit den empfindlichsten Magnetinstrumenten genau gemessen, und aus dem Unterschied beider Streichwinkel ergibt sich die gegenseitige Lage beider Linien. Die seinen Instrumente zur Magnetorientierung wurden zuerst konstruiert von Borchers und verbessert von Brathuhn und Fennel. Das Kartieren der Messungen nennt der Markscheider Zulegen. Das geschieht mit dem Kompaß in der Zulegeplatte mit Transporteuren oder nach berechneten Koordinaten. Die bildlichen Darstellungen bestehen in Grundrissen, Seigerrissen und Profilen. Lehrbücher der M. schrieben unter andern: Hecht (Freiberg 1829), Beer (Prag 1856), Weißbach (Braunschw. 1851–59, 2 Bde.), Borchers (Hannov. 1870), Liebenam (Leipz. 1876), Brathuhn (das. 1884, 3. Aufl. 1902), Uhlich (Freiberg 1901).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.