- Loménie
Loménie, 1) Etienne Charles de L., Graf de Brienne, Kardinal und franz. Staatsminister, geb. 1727 in Paris, gest. 15. Febr. 1794, aus einem im 16. Jahrh. emporgekommenen Geschlecht, dem auch der Staatssekretär Henri Auguste de L. (1594–1660) angehörte, der wertvolle Memoiren (1840) hinterließ, trat früh in den geistlichen Stand, ward 1760, wiewohl ein Anhänger der aufgeklärten Philosophie jener Zeit, zum Bischof von Condom, 1763 zum Erzbischof von Toulouse, wo noch heute der von ihm erbaute Kanal zwischen dem von Caraman und der Garonne den Namen Canal de Brienne führt, und 1788 zum Erzbischof von Sens ernannt. Von Ludwig XVI. im Mai 1787 an die Spitze der Finanzverwaltung berufen, vermochte er den Widerstand der privilegierten Stände gegen eine durchgreifende Steuerreform nicht zu brechen. Das widerspenstige Parlament verlegte er nach Troyes, ließ mehrere Räte verhaften und ersetzte es endlich durch einen vom König ernannten Rat (cour plénière). Die allgemeine Entrüstung und die wachsende Geldnot zwangen jedoch den König, ihn im August 1788 zu entlassen. Zur Entschädigung erhielt er den Kardinalshut. 1790 leistete er zwar den konstitutionellen Eid, ward aber von der Revolutionspartei im November 1793 in Sens festgenommen und starb im Gefängnis. Vgl. Perrin, Le cardinal L. de Brienne (Sens 1896). – Sein Bruder Athanase Louis Marie de L., Graf von Brienne, franz. Generalleutnant, geb. 1730, wurde zu derselben Zeit, wo sein Bruder die Finanzen übernahm, Kriegsminister, trat mit ihm zurück und starb 10. Mai 1794 unter der Guillotine.
2) Louis de, franz. Schriftsteller, geb. 3. Dez. 1815 zu St.-Yrieix (Obervienne) aus altberühmtem Geschlecht, gest. 2. April 1878 in Menton, studierte in Avignon, ließ zunächst unter dem Pseudonym »Un homme de rien« seine »Galerie des contemporains« erscheinen (1840–47, 10 Bde.), die nicht bloß durch ihre Zuverlässigkeit, sondern auch durch die subjektive. geschmackvolle und unparteiische Behandlung Aufsehen erregte. Leider blieb die Reihenfolge der »Hommes de 89« unvollendet; dagegen schlossen sich würdig an jenes erste Werk die Monographie »Beaumarchais et son temps« (Par. 1855, 2 Bde.; 4. Aufl. 1880) an, in vielen Beziehungen ein biographisches Meisterwerk, und die Sittenstudien: »La comtesse de Rochefort et ses amis« (1870, 2. Aufl. 1879) und »Les Mirabeau« (Bd. 1 u. 2, 1878; fortgesetzt von seinem Sohn Charles de L., Bd. 3–5,1889–91). Seit 1845 Professor der französischen Literatur am Collège de France, seit 1862 an der Polytechnischen Schule, wurde L. 1871 als Nachfolger Mérimées Mitglied der französischen Akademie.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.