- Lahmheit
Lahmheit (Lahmgehen, Lahmen), die hinkende Bewegungsstörung, im Gegensatz zu der sich als Lähmung darstellenden Bewegungsschwäche oder-Behinderung. L. ist besonders häufig bei Pferden infolge der großen Anforderungen, die ihre Arbeit an sie stellt, und der dabei oft eintretenden übeln Zufälle. Die L. kann ihren Sitz haben in den Knochen (Verletzungen, Brüche, Auftreibungen, Überbeine, auch innere Erkrankung), in den Muskeln (Zerreißung, Rheumatismus), vor allem aber in den Gelenken, deren Bändern und den Sehnen. An den Gelenken finden sich Verrenkungen und Verstauchungen, Erkrankungen der Gelenkkapseln und Gelenkflächen, Knochenauftreibungen in der Umgebung und Verwundungen. Besonders oft sind das Fesselgelenk und das Sprunggelenk betroffen (vgl. Gelenkkrankheiten und Gallen, S. 281). Unter den Sehnen, die auch zerreißen können, erkranken am häufigsten die Beugesehnen der Vorderfüße (s. Sehnenkrankheiten). Häufige Lahmheitsursachen haben ihren Sitz im Hufe (s. Hufkrankheiten). Die Lahmheiten, die ihren Sitz an den Rumpfteilen der Gliedmaßen haben, lassen sich oft schwer speziell ermitteln (s. Buglahmheit und Hüftlahmheit). Selten sind Lahmheiten infolge Lähmung eines Nervs oder Verstopfung der Blutgefäße (s. Wurmaneurysma), die auch zu den Lähmungen gerechnet werden können, aber sich durch Hinken äußern. Auch Hautentzündungen können L. bewirken (s. Einschuß, Mauke). Im allgemeinen empfiehlt sich bei jeder L. sofortige Außerdienststellung, bei plötzlichem heftigen Auftreten unterwegs Untersuchung des Hufes (s. Nageltritt unter »Hufkrankheiten«) und Nachhausegehen im Schritt. Alsbaldige Untersuchung des Hufes durch den Hufschmied kann bisweilen schon den Sitz der L. ermitteln. In allen andern Fällen ist unverzüglich ein Tierarzt zuzuziehen, da oft von der Frühzeitigkeit der Erkennung und Behandlung der Erfolg abhängt. Manche L. verschwindet rasch, andre Fälle erfordern eine lange Behandlung und Außerdienststellung des Pferdes. Bei wenig wertvollen Pferden und unsicherm Erfolg ist bisweilen die Tötung einer langen Kur vorzuziehen, während die Weiterbenutzung schwer lahmer Pferde eine Tierquälerei ist. Bei fast allen Arten von Lahmheiten ist das wesentlichste, daß die lahme Gliedmaße ganz ruhig gehalten wird. Oft muß man Pferde durch künstliche Erzeugung von Schmerzen dazu zwingen. Man brennt die erkrankte Partie mit dem Glüheisen oder reibt eine Scharfsalbe ein, damit die starken bei jeder Bewegung sich steigernden Schmerzen das Pferd zur Vermeidung wenigstens ungestümer Bewegung veranlassen. Bei chronischen schleichenden Entzündungen haben jene Mittel zugleich den Zweck, die Entzündung vorübergehend zu steigern, was den Heilungsprozeß beschleunigt. Vor allem müssen Pferde, die wegen L. lange im Stalle stehen, mager (event. nur mit Heu) gefüttert werden, weil sie sonst zu unruhig (stallmutig) werden und sich beschädigen; auch ist viel Hafer bei mangelnder Tätigkeit nicht bloß überflüssig, sondern dem Körper direkt schädlich. Bei längerer L. bildet sich infolge der beschränkten Bewegung oft ein Muskelschwund aus, der einen Hinweis auf Sitz und Dauer einer versteckten L. geben kann. Bei Arbeitsochsen ist L. ebenfalls nicht selten aus ähnlichen Ursachen, bei nicht arbeitenden Tieren kommt L. natürlich weniger vor. Die Feststellung der L. an sich, der lahmen Gliedmaße und des Sitzes der L. an dieser ist oft schwierig und erfordert jedenfalls Übung. Die L. zeigt sich in der Regel bei schneller Gangart auf Pflaster deutlicher; manche ist im Anfang stärker und bessert sich bei der Bewegung. Da das Pferd die über Kreuz stehenden Gliedmaßen (z. B. rechtes Vorder- und linkes Hinterbein) gleichzeitig bewegt, so suchen Ungeübte oft den Sitz der L. statt in der lahmen, in der gleichzeitig bewegten gesunden Gliedmaße, weil diese am Hinken teilzunehmen scheint.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.