- Kinderheilstätten
Kinderheilstätten, Anstalten zur ärztlichen Pflege und zur klimatischen Erfrischung kranker oder kränklicher, durch mangelhafte Ernährung und ungesunde Verhältnisse heruntergekommener Kinder. Seit Ende des 18. Jahrh. befindet sich eine königliche Anstalt für skrofulöse Kinder zu Margate in England. In Turin wurde 1845 eine Anstalt für rachitische und skrofulöse Kinder gegründet, und 1856 errichtete Barellai zu Florenz in Viareggio bei Pisa ein Ospizio marino für Kinder, dem seither mehr als 20 ähnliche Anstalten in Italien nachgebildet wurden. In Frankreich, England, Nordamerika, Holland, Belgien und Dänemark fand dieser Vorgang Nachfolge, und nicht bloß an der Seeküste, sondern auch sonst in Badeorten, klimatischen Kurorten etc. wurden nach und nach zahlreiche K. errichtet. In Deutschland und Österreich ist etwa seit 1850 eine Reihe besonderer K. errichtet, teils als Krankenhäuser in Städten, teils als Pensionshäuser in Badeorten; in Verbindung mit Solbädern bestehen allein 18 derartige Häuser und Barackenanstalten (Wildbad, Jagstfeld, Rothenfelde, Nauheim, Frankenhausen, Elmen, Oldesloe, Kreuznach, Sulza etc.). In den meisten dieser Anstalten zahlen die Kinder ein geringes Verpflegungsgeld und haben einige Kleidungsstücke mitzubringen. Die Dauer des Aufenthalts schwankt meist zwischen drei Wochen und mehreren Monaten. In den großen Seehospizen Italiens und Englands ist die Dauer des Aufenthalts auf 45–80 Tage bemessen, so daß ein mindestens zweimaliger Turnus stattfindet. Den genannten Anstalten schließen sich die ländlichen Sanatorien oder Rekonvaleszentenhäuser an, die den Kindern neben dem Aufenthalt in guter Luft auch den notwendigsten Schulunterricht gewähren. In Deutschland haben wir ein Sanatorium in Augustusbad bei Radeberg, eins in Godesberg bei Bonn, ferner das evangelische Johannisstift in Plötzensee bei Berlin, das allerdings kaum als außerhalb der Stadt liegend anzusehen ist, und das Elisabethenhaus in Marburg. Noch wichtiger sind die Seesanatorien (Seehospize), deren an den deutschen Küsten etwa 18 bestehen, größtenteils für Kinder: Norderney, Wangeroog, Wyk auf Föhr, Sylt, Heringsdorf, Kolberg, Zoppot, Großmüritz u. a. Die Nordseestationen haben eine tiefere Wirkung, die Ostseebäder aber sind durch die hübsche waldige Umgebung oft ansprechender und werden von zarten Kindern leichter vertragen. Deutschland ist hier andern Staaten erst spät gefolgt. In England wurde 1791 das erste Seehospiz errichtet, gegenwärtig gibt es etwa ein Dutzend, das größte in Seaford nahe von Newhaven; Italien, Österreich, Holland, Belgien, Frankreich, Amerika sind dem Beispiele gefolgt. Vgl. Lammers, Öffentliche Kinderfürsorge (Berl. 1885); Thierbach, Übersicht über die Resultate der K. (Jena 1893); Goldscheider und Jacob, Handbuch der physikalischen Therapie, Teil 1, Bd. 1 (Leipz. 1901).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.