Araukāner

Araukāner

Araukāner (Aucaes, »Rebellen«; ihr einheimischer Name ist Moluche, »Krieger«), indian. Volksstamm in Chile, südlich vom 30.° südl. Br. (s. Tafel »Amerikanische Völker II«, Fig. 15). Sie unterscheiden sich von den übrigen Indianern Südamerikas durch größere physische und moralische Kraft, sind durchschnittlich 1,6 m groß, von hellbrauner Farbe, haben langes, starkes, schwarzes Haar und zerfallen in Picunche (»Nordmänner«) im NW., Pehuenche (»Fichtenmänner«), die Küstenbewohner von Santiago de Chile bis gegen Valdivia, und Huilliche (»Südmänner«) im S. des Landes. Auch die argentinischen Puelchen (»Ostmänner«) sind A., vielfach gemischt mit Pampasvölkern. Die A. waren Ackerbauer, die, wie die Peruaner, Mais, Bohnen, Quinoa, Kartoffeln anpflanzten, ihre Felder düngten und durch Kanäle bewässerten und das Lama züchteten, um dessen Wolle und Fleisch zu verwerten. Seit Einführung des Pferdes sind sie ein kühnes Reitervolk geworden, das in der Handhabung seiner langen Lanzen, des Lasso (s. d.) und der Bolas (s. d.) ungemeine Geschicklichkeit besitzt. Von dem Joch der Inka haben sie sich ebenso freizuhalten gewußt wie von dem der Spanier. Seit letztere unter Valdivia 1558 nach Südchile vordrangen, hat zwischen ihnen und den Araukanern der Krieg nicht aufgehört, der in dem Epos »Araucanía« von Alfonso de Ercilla und in »Curen Indomito« von Alvarez de Toledo sogar eine poetische Verherrlichung fand. Gegenwärtig gehört das Gebiet der A. zu Chile, das den kleinern nördlichen Teil zur Provinz Valdivia schlug und aus dem größern südlichen die Provinz Arauco bildete. Die Zahl der chilenischen A., im 18. Jahrh. auf 150,000 geschätzt, ist infolge innerer Fehden und durch Beteiligung an den Revolutionskämpfen sehr zurückgegangen und beträgt jetzt kaum 40,000. Trotz ihrer politischen Zugehörigkeit zu Chile leben die A. immer noch in fast völliger Freiheit und wohnen teils seßhaft in Dörfern, teils ziehen sie nomadisierend umher. Eigentliche Gesetze haben die A. nicht, doch werden alte Gebräuche und Überlieferungen heilig gehalten. Bekehrungsversuche der katholischen Kirche hatten geringe Erfolge. Vgl. Smith, The Araucanians (New York 1855); Medina, Los aborijenes de Chile (Santiago 1882); Lenz, Araukanische Märchen und Erzählungen (Valparaiso 1896); Derselbe, Estudios Araucanos (in den »Anales de la Universidad de Chile«, 1895–97)

In neuerer Zeit hat das Land die Aufmerksamkeit durch das Auftreten eines französischen Abenteurers auf sich gezogen, der es über Nacht in ein »konstitutionelles Königreich« umwandelte. Dieser, ein Advokat Namens Tounens, geb. um 1820 in Chourgnac bet Périgueux, war vor den chilenischen Behörden in das Gebiet der unabhängigen A. geflohen und hatte sich das Vertrauen der Stämme und die Freundschaft mehrerer Toquis gewonnen und war bei Ausbruch eines Krieges mit Chile selbst zum Großtoqui erwählt worden. Er umgab sich mit einem Ministerium, erließ Gesetze und eine Konstitution nach französischem Zuschnitt und ließ sich selbst als Orelio Antonio I. zum König der A. erklären (1861). Allein schon im folgenden Jahre geriet er in die Gewalt der Chilenen, die ihn als Verrückten an Frankreich auslieferten. Die A. wählten unterdessen einen neuen Großtoqui, der sofort den Krieg gegen Chile wieder aufnahm, nach wiederholten Niederlagen aber eben im Begriff stand, mit Chile Frieden zu schließen, als »König Orelio« von Argentinien her durch einen der südlichen Andenpässe nach Araukanien zurückkam und von Mula aus sein Reich wieder einrichtete. Der Krieg begann aufs neue, doch mit keinem günstigern Erfolg für die A. als zuvor. Orelio begab sich nach Frankreich zurück, um Napoleon III. für seine Pläne zu gewinnen, sah sich aber durch den deutsch-französischen Krieg um alle Hoffnungen betrogen. Er geriet bald in Not und starb 19. Sept. 1878 in Tourtoirac (Dordogne). Vgl. seine Schriften: »Orélie Antoine I, roi d'Araucanie et de Patagonie, son avènement an trône et sa captivité an Chili« (1863) und »L'Araucanie« (Bordeaux 1878).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Araukaner — Araukāner (Araucos), kriegerischer Indianerstamm in der Landsch. Araukanĭen in Südchile (zwischen Biobio und Callecalle), etwa 50.000 Köpfe, jetzt unter chilen. Oberherrschaft [Tafel: Menschenrassen I, 15]. 1861 ließ sich der franz. Notar Antoine …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Araukaner — Araukaner, Indianerstamm im südl. Chili, theils Nomaden, theils in Dörfern wohnende Indianer; kräftig, tapfer, vortreffliche Reiter, haben sie ihre Unabhängigkeit bis jetzt behauptet …   Herders Conversations-Lexikon

  • Araukaner — Arau|ka|ner 〈m. 3〉 Angehöriger eines Indianervolkes in Chile u. Westargentinien * * * Araukaner,   Eigenbezeichnung Mapụche [ tʃe], Sprach und Kulturgruppe der südamerikanischen Indianer in den südlichen Anden, in Chile etwa 450 000 (Mapuche,… …   Universal-Lexikon

  • Araukaner — Das Wort Araukaner bezeichnet: ein indigenes Volk Südamerikas, siehe Mapuche eine Hühnerrasse, siehe Araucana Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehrerer mit demselben Wort bezeichneter Begriffe …   Deutsch Wikipedia

  • Araukaner — Arau|ka|ner (chilenischer und argentinischer Indianer) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Chile — (spr. tschīle), Republik an der Westküste Südamerikas (s. die Karte beim Art. »Argentinische Republik«), zwischen 17°47 und 55°59 südl. Br., zieht sich als ein etwa 4297 km langer und meist 140, bisweilen nur 110, in der Provinz Antofagasta aber… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Pedro de Valdivia — (Portrait 19. Jahrhundert) Pedro de Valdivia (* 17. April 1497 in Castuera, Region Extremadura, Spanien; † 25. Dezember 1553 in Tucapel, Chile) war ein spanischer Soldat und Konquistador und erster amtierender Gouverneur Chiles …   Deutsch Wikipedia

  • Pedro de Valdívia — Pedro de Valdivia (Portrait 19. Jahrhundert) Pedro de Valdivia (* um 1500 in der Region Extremadura, Spanien; † 25. Dezember 1553 in Tucapel, Chile) war ein spanischer Soldat und Konquistador und erster amtierender Gouverneur Chiles. Pedro de… …   Deutsch Wikipedia

  • Anfänge der lateinamerikanischen Literatur — Bei den Anfängen der Lateinamerikanischen Literatur muss unterschieden werden, zwischen der Literatur der Ureinwohner (Indios) und der Literatur der Konquistadoren und Kolonisten, wobei hier auch die Schriften berücksichtigt werden, die in Europa …   Deutsch Wikipedia

  • Die Anfänge der lateinamerikanischen Literatur — Bei den Anfängen der Lateinamerikanischen Literatur muss unterschieden werden, zwischen der Literatur der Ureinwohner (Indios) und der Literatur der Konquistadoren und Kolonisten, wobei hier auch die Schriften berücksichtigt werden, die in Europa …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”