- Karyatīden
Karyatīden (griech.), in lange, faltenreiche Gewänder gekleidete weibliche Gestalten, die, auf einer meist gegliederten Plinthe stehend, eine Art Kapitell tragen und so das Gebälk einer Vorhalle oder eines sonstigen Vorbaues unterstützen.
Nach Vitruv waren die K. Nachbilder griechischer Frauen aus der Stadt Karyä im Peloponnes, die zur Strafe für ihre Unterstützung der Perser in Gefangenschaft abgeführt, zu öffentlichen Arbeiten gebraucht und dann von den Architekten zur Hindeutung auf ihre Dienstbarkeit als Lastträgerinnen dargestellt wurden. Lessing dagegen leitet ihren Ursprung von den Jungfrauen ab, die am Feste der Diana im Tempel zu Karyä tanzten. Noch andre identifizieren sie mit den Kanephoren (s. d.) der Panathenäen. Übrigens haben schon die Ägypter menschliche Figuren zu Säulen verwendet, wie denn später auch männliche, zu gleichem Zweck dienende Figuren K., richtiger aber Atlanten, Telamonen oder persische Bildsäulen genannt werden. Die künstlerisch vollendetsten K. des Altertums sind die sechs weiblichen Statuen, die das Gebälk der auf der Südseite des Erechtheions zu Athen in ionischem Stil erbauten Vorhalle tragen (s. diese auf Tafel »Architektur III«, Fig. 8, und die obenstehende Abbildung). Daher karyandische Ordnung die Bauart, bei der statt der Säulen weibliche Figuren zum Tragen der Decke oder des Gebälks angebracht werden. Vgl. Wolters, Karyatiden (»Zeitschrift für bildende Kunst«, neue Folge, Bd. 6, 1895).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.