Invarĭantentheorie

Invarĭantentheorie

Invarĭantentheorie (höhere Algebra, moderne Algebra, Formentheorie), ein Zweig der Mathematik, beschäftigt sich mit den Eigenschaften algebraischer Formen, die bei linearer Transformation der Veränderlichen ungeändert (invariant) bleiben. Unter einer algebraischen Form versteht man einen Ausdruck, der aus einer Reihe von Veränderlichen auf bestimmte Weise gebildet ist. Zum Beispiel ist F = a0xn+a1xn-1 y+a2xn-2y2+ ... +an-1xyn-1+anyn eine binäre Form n-ten Grades mit den zwei Veränderlichen x, y; die Größen a0a1 ... heißen die Koeffizienten der Form. Einen in ähnlicher Weise aus drei (vier) Veränderlichen gebildeten Ausdruck nennt man eine ternäre (quaternäre) Form. Eine lineare Transformation in den binären Veränderlichen x, y kommt darauf hinaus, daß man x und y durch αx'+βy' und γx'+δy' ersetzt, wo x', y' die neuen Veränderlichen und α, β, γ, δ die Koeffizienten der Transformation sind, deren Determinante αδ-βγ nicht verschwinden darf, damit man auch umgekehrt x', y' durch x, y ausdrücken kann. Bei dieser Transformation erhält die Form F eine neue Gestalt: F = a'0x'n+a'1x'n-1y'+ ...+a'ny'n, wo a'0,a'1 ... in einfacher Weise von a0 ... an und α, β, γ, δ, abhängen, z. B. ist a'0 = a0αn+a1αn-1y+ ... anyn. Man nennt nun einen Ausdruck, der aus a0,a1 ... an zusammengesetzt ist, dann eine Invariante der Form F, wenn er sich von dem aus a'0, a'1 ... a'n genau ebenso zusammengesetzten Ausdruck nur um eine Potenz der Determinante αδ-βγ unterscheidet, dabei vorausgesetzt, daß man in dem zweiten Ausdruck a'0,a'1, ... nach dem vorhin Gesagten durch a0, a1 ... an und α, β, γ, δ ausgedrückt hat. Von den Invarianten der Form F unterscheiden sich die Kovarianten bloß dadurch, daß sie außer den Koeffizienten a0, a1 ... an auch noch die Veränderlichen x, y enthalten. Die I. der binären Formen ist für die Lehre von den algebraischen Gleichungen von der größten Wichtigkeit, ebenso die I. der ternären und quaternären Formen für die Lehre von den algebraischen Kurven und Flächen. Einzelne Invarianten und Kovarianten hatte man schon längst betrachtet, so die Diskriminante a21-a0a2 der binären quadratischen Form a0 x2+2a1xy+a2y2. Die allgemeine Frage nach allen Invarianten und Kovarianten ist aber erst im 19. Jahrh. gestellt und beantwortet worden. Begründer der I. in diesem Sinn sind die Engländer Boole (1841) und Cayley (1845) und der Deutsche Aronhold (1849). Um die Ausbildung der I. haben sich dann Hermite, Salmon, Sylvester, Brioschi, namentlich aber Clebsch und Gordan verdient gemacht, in neuerer Zeit besonders Hilbert und Study. Eine allgemeine I., die auf dem allgemeinen Gruppenbegriff beruht und von der die Cayley-Aronholdsche nur ein besonderer Fall ist, hat S. Lie (s. d.) entwickelt. Vgl. Gordan, Vorlesungen über I. (hrsg. von Kerschensteiner, Leipz. 1885–87, 2 Bde.); Franz Meyer, Bericht über den gegenwärtigen Stand der I. (im »Jahresbericht der deutschen Mathematikervereinigung«, Bd. 1, Berl. 1892).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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