- Hygroskŏpische Feuchtigkeit
Hygroskŏpische Feuchtigkeit, das Wasser, das manche Körper mit größerer oder geringerer Begierde aus der Luft aussaugen, ohne sich chemisch damit zu verbinden. Körper mit dieser Eigenschaft nennt man hygroskopisch. Sie sind an freier Luft, die stets Wasserdampf enthält, niemals völlig trocken, und wenn man sie bei erhöhter Temperatur oder in einer künstlich getrockneten Luft vollständig trocknet, so nehmen sie an freier Luft alsbald wieder Feuchtigkeit auf und zwar um so mehr und um so schneller, je größer die relative Feuchtigkeit der Luft ist. Wird die Luft bei Witterungswechsel erheblich trockner, so verlieren auch die hygroskopischen Körper Feuchtigkeit, sie setzen sich stets mit dem relativen Feuchtigkeitsgehalt der Luft ins Gleichgewicht, und der Zustand, den man lufttrocken nennt, bezeichnet also je nach der Natur des betreffenden Körpers, der Beschaffenheit der Luft und der Temperatur einen sehr verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt. In gewissem Grade sind wohl alle Körper hygroskopisch, selbst Metall und Glas verdichten auf ihrer Oberfläche eine wägbare Menge Feuchtigkeit. Manche Salze, wie das Chlorcalcium, nehmen in kurzer Zeit so viel Wasser aus der Luft auf, daß sie sich darin vollständig lösen; sie zerfließen an der Luft. Andre Körper erleiden durch die aufgenommene Feuchtigkeit eine Volumvergrößerung, wie z. B. das menschliche Haar, das seine Kräuselung verliert und sich so stark verlängert, daß man es zum Messen des Feuchtigkeitsgehalts der Luft benutzen kann (s. Hygrometer). Die Darmsaiten der musikalischen Instrumente verlängern sich in der feuchten Luft des gefüllten Konzertsaals so stark, daß die Instrumente umgestimmt werden müssen. Gleich dem Haar und dem Darm sind die meisten organisierten Substanzen stark hygroskopisch. Holz, Stärkemehl, Baumwolle, Leinen, vor allem Federn, Wolle und Seide nehmen eine große Menge Feuchtigkeit auf und können bei einem Wassergehalt von 10–20 Proz. noch völlig trocken erscheinen. Man kommt in die Lage, wenn man diese Körper nach Gewicht kauft, eine mehr oder weniger bedeutende Menge Wasser zu bezahlen. Um der hieraus sich ergebenden Unreellität zu begegnen, sind Konditionierungsanstalten begründet worden, in denen der Feuchtigkeitsgehalt der betreffenden Ware amtlich festgestellt wird. Auch Flüssigkeiten sind hygroskopisch und Alkohol z. B. in so hohem Grade, daß es sehr schwer hält, ihn völlig wasserfrei zu erhalten. Die starke Hygroskopizität der konzentrierten Schwefelsäure benutzt man zum Austrocknen der Luft, und wenn man z. B. unter einer Glasglocke ein flaches Gefäß mit konzentrierter Schwefelsäure aufstellt und auf einem Dreifuß ein Schälchen mit einer Salzlösung, so entzieht die Säure letzterer allmählich das Wasser, die Lösung verdampft, und das Salz kristallisiert.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.