- Halsschmuck
Halsschmuck findet sich bei den altweltlichen Kulturvölkern bis tief in die paläolithische Zeit hinein und in größter Mannigfaltigkeit bei allen Naturvölkern. Bei diesen, wie auf allen primitiven Stufen der menschlichen Kulturentwickelung überhaupt, besteht er in erster Linie aus Gegenständen, die dem Menschen bei seiner Beschäftigung in die Hände fallen, sich besonderer Wertschätzung und Beliebtheit erfreuen und ohne besondere Mühewaltung zum An- und Umlegen um den Hals geeignet sind. Das sind vor allen Dingen Früchte und Fruchtschalen, Schneckenhäuser und Muscheln, Holz- und Wurzelstückchen, Zähne, Knochen und Wirbel etc., die, auf Schnüre aufgereiht, in Kettenform um den Hals gelegt werden, entweder als bloßer Ring, der den Hals harmonisch umschließt, oder aber als Behang, der weit auf die Brust herabfällt. Zu solchem Behangschmuck (s. Schmuck) werden dann gern auch größere Gegenstände: Muschelplatten, Eberzähne, größere Knochen und Früchte etc., herangezogen, doch stets so, daß der den Hals umschließende Tragteil biegsam gegliedert und nachgiebig ist. Starre Halszieraten sind verhältnismäßig selten, in unsrer Vorgeschichte sowohl als bei den heutigen Naturvölkern. Dahin gehören die ungefügen, schweren und breiten Messing- und Bronzehalsringe einiger Kongostämme, die oft bis an die Ohren hinausreichenden »Perlenkragen« der Hofbeamten im alten Benin (s. Tafel »Afrikanische Altertümer«, Fig. 21), die gewaltigen, aus starkem Messing- oder Kupferdraht gewundenen Hals- und Schulterspiralen der Massaifrauen und einiger Stämme im südöstlichen Birma, die breiten Nassamuschelkrausen der Männer im Bismarck-Archipel u. v. a. Ein Nachklang solcher »Moden« sind unsre stellenweise noch heute bestehenden Radkrausen bei geistlichen und weltlichen Würdenträgern. Von dem H. aus unsrer paläolithischen und neolithischen Zeit ist nicht mehr allzuviel erhalten; um so mehr dagegen aus der Bronze- und der Eisenzeit. Den Grundzug der Gliederung bewahrt er auch hier; ebenso die Neigung, sich zum Behangschmuck zu entwickeln, der in glänzenden Zieraten auf die Brust herabfällt. Bei den Naturvölkern der Neuzeit ist metallischer H. allgemein nur in der Alten Welt verbreitet; Australien und die Südsee entbehren seiner ganz, in Amerika verfügten lediglich die mittel- und südamerikanischen Naturvölker über kupferne Zieraten. In Afrika walten die Formen des festen, drahtförmigen Halsringes und der aus größern oder kleinern Eisen- oder Kupferperlen zusammengesetzten Kette vor; zu scheibenförmigen Brustzieraten erweitert sich der H. nur selten. Eisenperlen von oft gewaltiger Größe kommen bei den Herero, Kupferperlen an verschiedenen Stellen des Kongobeckens vor. Ganz allgemein in allen küstennahen Bezirken Afrikas sind dann als gegebener H. Glasperlen verbreitet. Sie sind vom östlichen Mittelmeer aus sicher schon im Altertum nach den verschiedensten Teilen der bekannten Welt verhandelt worden und werden auch seit dem Zeitalter der Entdeckungen in immer steigendem Maße von Europa ausgeführt. Als Aggriperlen (s. Afrikanische Altertümer, S. 157) werden die alten Perlen in verschiedenen Teilen Afrikas sehr geschätzt; als Audou oder Perlengeld stehen sie auf den Palauinseln in hohem Ansehen. Heute werden europäische Perlen als H. fast von allen Naturvölkern der Erde getragen.
Halsgeschmeide, Halsketten und Halsbänder (Colliers) wurden im Altertum von Frauen und Männern getragen; sie waren teils von edlem Metall gefertigt, teils aus Steinen oder Perlen zusammengesetzt und hingen bis auf die Brust, ja bis auf den Gürtel herab. Auch befestigte man daran andre Zieraten, als Halbmonde, Riechfläschchen, kleine Sonnen, Talismane. Bei den Persern pflegten die Könige als besondere Gnadenbezeigung Halsketten zu verleihen. Bei den Griechen findet sich mancherlei H. ebenfalls schon in sehr früher Zeit; vorzüglich bedienten sich seiner die Jungfrauen, woher sich vielleicht das athenische Gesetz schreibt, das den Hetären das Tragen von H. verbot. Bei den Römern sind zu unterscheiden die Halsbänder (monilia) und die leichten, bis auf den Busen herabhängenden Halsketten (catellae) der Frauen und die schweren goldenen Ketten der Männer (torques). Letztere wurden seit den Kriegen mit den Galliern, wo T. Manlius sich mit der Kette eines erlegten Feindes schmückte (daher Torquatus), auch wohl über der Rüstung getragen und vertraten in gewisser Hinsicht die Stelle unsrer Orden, wenn sie der Feldherr als Belohnung verlieh.
Die römischen Frauen verwendeten in der spätern Zeit auf solchen H. ungeheure Summen. Perlenhalsbänder kamen zuerst zu Alexanders d. Gr. Zeit in Gebrauch, galten noch bei den Römern als etwas höchst Kostbares und wurden auch mehrfach um den Hals geschlungen oder hingen bis auf die Brust herab und trugen dann zuweilen eine kleine Kapsel (bulla), die ein Amulett gegen Krankheit und Faszination (s. Fascinum) enthielt. Die Germanen trugen Ringe aus gewundenem Bronzedraht, außerdem Schnüre von Glas- und Metallperlen, seltener Ketten, die erst im Mittelalter bei den Rittern lang herabhängend üblich wurden, um den Hals. Zu einer Spezialität der Juwelier- und Goldschmiedekunst wurde der H. in der Renaissance und ist seitdem ein bevorzugter Gegenstand künstlerischer Behandlung geblieben. (S. die Abbildung und die Tafeln »Kostüme I«, Fig. 13; Tafel II, Fig. 7, 9, 11 u. 13; Tafel III, Fig. 2, 4 u. 8.) Diamanten und Halbedelsteine, Perlen, Kameen, Gemmen und Email werden mit Gold und Silber zu den reizvollsten Kombinationen verbunden. Die Halsbänder unterscheiden sich dadurch von den Ketten, daß sie eng um den Hals geschlungen werden. Sie werden aus Gold, Silber, Bronze und andern Metallen hergestellt und sind dann zu größerer Schmiegsamkeit gegliedert oder aus aneinander gereihten Perlen, Korallen u. dgl. Auch an den Halsbändern ist oft noch ein weiterer Zierat (Kreuz, Medaillon, Herz etc.) befestigt. Literatur s. bei Schmuck. Vgl. auch die Tafeln »Schmucksachen I-III«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.