Giskra

Giskra

Giskra, Karl, österreich. Minister, geb. 29. Jan. 1820 in Mährisch-Trübau, gest. 1. Juni 1879 in Baden bei Wien, erlangte in Wien 1840 die philosophische und 1843 die juridische Doktorwürde und ward 1846 Supplent der Staatswissenschaften und der politischen Gesetzeskunde an der Wiener Hochschule, legte die Dozentenstelle aber nieder, als er von seiner Vaterstadt ins Frankfurter Parlament gesandt wurde, wo er an den Verhandlungen bis zur Übersiedelung nach Stuttgart hervorragenden Anteil nahm und den großdeutschen Standpunkt mit Lebhaftigkeit vertrat. 1850 kehrte er nach Wien zurück, trat in die Kanzlei von v. Mühlfeld ein und siedelte 1860, nachdem ihm der Kaiser die Lizenz zur Advokatur außerhalb Wiens verliehen hatte, nach Brünn über, wo er als Advokat tätig war. 1861 in den mährischen Landtag und später in das Abgeordnetenhaus gewählt, war er einer der Führer der deutsch-mährischen Partei und entschieden liberal, für Erhaltung des Gesamtstaates Österreich gesinnt, und entwickelte eine feurige Beredsamkeit, insbes. bei der Kritik des Militärbudgets. Zum Bürgermeister von Brünn gewählt, entfaltete er eine bedeutende organisatorische und administrative Tätigkeit. Namentlich trat diese 1866 bei Gelegenheit der preußischen Okkupation hervor, wo G. eine Mission nach Wien übernahm. 1867 wurde G. Präsident des Abgeordnetenhauses und 30. Dez. 1867 Minister des Innern in dem Ministerium Carlos Auersperg, dem er auch nach dem Rücktritt Auerspergs unter dem Präsidium des Grafen Taaffe, später Hasners, angehörte. Am 20. März 1870 gab er seine Entlassung als Minister, weil der Ministerrat die Wahlreform vertagen, G. sie sofort in Angriff genommen wissen wollte, nahm aber an den Verhandlungen des Reichsrats und der Delegationen als einer der Führer der Verfassungspartei seitdem bedeutenden Anteil, besonders bei der Bekämpfung des Ministeriums Hohenwart. Eigennützige Beteiligung an einzelnen finanziellen Unternehmungen, so insbes. seine Stellung im Verwaltungsrat der Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn, schädigten seine politische Stellung, und seine im Prozeß Ofenheim 1875 entwickelte »Trinkgeldertheorie« machte den übelsten Eindruck. Er verlor zeitweilig den Zutritt bei Hofe, wo er besonders durch sein Auftreten gegen die Militärverwaltung in den Delegationen mißliebig geworden war. 1873 hatte ihn sein alter Wahlbezirk Brünn wieder in das Abgeordnetenhaus gewählt, wo er noch einmal in den Vordergrund trat, als er die Orientpolitik Andrássys 1877–78 bekämpfte.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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