- Gebäudesteuer
Gebäudesteuer (Haus-, Häusersteuer) ist im engern Sinn eine Steuer des Eigentümers oder Nutznießers vom Ertrag eines Gebäudes, im weitern Sinn jede an ein Gebäude oder Gebäudeteile anknüpfende Steuer. Häufig ist sie gemischter Natur, indem sie sowohl als Ertrags-wie als Aufwandsteuer betrachtet werden kann oder je nach der Erhebungsform und der praktischen Gestaltung der Überwälzung bald als Ertrags-, bald als Aufwandsteuer wirkt. Als eigentliche G., Ertragssteuer, soll die G. die Erträge treffen, die Gebäude abwerfen. Ursprünglich mit der Grundsteuer (s.d.) verbunden, gewann sie ihre heutige Bedeutung infolge des Umstandes, daß eine größere Zahl von Wohnungen vermietet und das Vermieten zu einer selbständigen Rentenquelle wurde. Sie hat jedoch nicht allein die wirklich erhobenen Mietzinsen zu treffen, sondern ist auch auf denjenigen zu legen, der ein eignes Haus bewohnt, somit die Mietzahlung spart.
Als Ertragsteuer sollte die G. eigentlich nur von denjenigen Gebäuden erhoben werden, die einen selbständigen Ertrag in Form der Mietrente abwerfen, und zwar auf Grund des aus der Vermietung erzielten Reinertrages. Gebäude, die der Landwirtschaft oder einem Gewerbebetrieb dienen, werfen kein selbständiges Erträgnis ab; dieses vermischt sich vielmehr mit dem Ertrag der betreffenden Betriebe. Allein aus steuertechnischen Gründen (Schwierigkeit der Scheidung zwischen Wohn- und gewerblichen, bez. landwirtschaftlichen Gebäuden und Gebäudeteilen) lassen sich die Steuergesetze in der Regel auf eine solche Scheidung nicht ein, sondern treffen alle Arten von Gebäuden, wobei allerdings häufig der Steuersatz je nach der Zweckbestimmung des Gebäudes verschieden hoch ist. Des weitern verzichtet die Steuergesetzgebung auch vielfach auf die Besteuerung des Reinertrages, legt vielmehr den ganzen Ertrag ohne Abzug von Unterhaltskosten, Schuldzinsen u. dgl. zugrunde.
Um eine gleichmäßige Besteuerung für alle Gebäude eines Landes zu erreichen, hat man zu einer Besteuerung nach dem Kapitalwert der Gebäude (Gebäudewertsteuer) unter Berücksichtigung der Lage, des Umfanges, der Nutzbarkeit, der innern baulichen Einrichtungen sowie sonstiger auf den Verkehrswert einwirkender Verhältnisse gegriffen (in Baden und Württemberg). Diese Steuer weist jedoch mehr den Charakter einer Vermögens-als einer Ertragsteuer auf; zudem ist auf dem Lande der Verkehrswert der Gebäude schwer zu bestimmen. Die entsprechendste Art der G. ist die Besteuerung nach den wirklich erzielten Mietzinsen (Hauszinssteuer). Hierbei wird der Rohertrag der Gebäude durch Angaben des Eigentümers (die durch Angaben der Mieter kontrolliert werden können) entweder jährlich (Österreich) oder nach mehrjährigen Durchschnitten (in Preußen 10, in Sachsen 6, Elsaß-Lothringen 5 Jahre) festgestellt. Vom Rohertrag werden in einzelnen Ländern die Kosten für Abnutzung, Versicherung etc. in Abzug gebracht (so in Österreich außer Beleuchtungs-, Wasserleitungsbeiträgen u. dgl. noch 15–20 Proz. des Bruttoertrages je nach der Ortsklasse, in Elsaß-Lothringen 25 Proz. bei Wohn-, 331/3 Proz. bei gewerblichen Gebäuden, in Sachsen nur bei gewerblichen Gebäuden). Keinen Abzug kennen Preußen, Bayern, Sachsen (bez. der Wohngebäude). Von dem so ermittelten Mietertrag wird als Steuer ein bestimmter Prozentsatz erhoben, der entweder durch das jeweilige Finanzgesetz bestimmt wird (Bayern zurzeit 3,8 Proz.), oder ein für allemal gesetzlich festgelegt ist, so in Sachsen 4 Proz., in Preußen bei reinen Wohngebäuden 4 Proz., bei landwirtschaftlichen und gewerblichen Gebäuden 2 Proz., in Österreich 262/3, bez. 20 Proz. des reinen Mietertrages. Die nicht vermieteten und selbstbenutzten Gebäude, bez. Gebäudeteile lassen sich dann nach dem möglichen Mietertrag durch Vergleich mit vermieteten Gebäuden einschätzen. Die Hauszinssteuer ist jedoch nur in Orten anwendbar, in denen die Mehrzahl der Gebäude vermietet ist. Auf dem Land und überhaupt in kleinern Orten, in denen das Eigenbewohnen überwiegt, muß die Ertragsfähigkeit der Gebäude auf eine andre Weise ermittelt werden, indem man sich dabei an äußere Merkmale, z. B. die Zahl der bewohnbaren Räume, Größe der Grundfläche etc., hält. In Österreich (Hauptgesetz vom 9. Febr. 1882) werden Wohnungen ohne Mietertrag nach der Zahl der bewohnbaren Räume in 16 Klassen eingeteilt (Hausklassensteuer); Bayern erhebt in kleinen Orten und einzelnen Höfen mit wenig vorkommenden Vermietungen eine Arealsteuer, indem neben den für die Grundsteuer maßgebenden Bodenklassen der Flächeninhalt von Bauplatz und Hofraum der Bemessung zugrunde gelegt wird. In Dänemark ist die G. vorwiegend eine Flächensteuer. Preußen wirft auf dem Lande die G. aus nach Größe, Bauart und Beschaffenheit der Gebäude und nach den Gesamtverhältnissen der zugehörigen Besitzungen; doch soll bei größern Besitzungen nie ein höherer Ertrag als bei einem Gebäude gleicher Beschaffenheit in den nächsten Landstädten angenommen werden.
Eine eigentümliche Art der G. ist die französische, 1798 eingeführte Tür- und Fenstersteuer. Sie ist eine vom Eigentümer erhobene Hausklassensteuer, die von den Mietern nach ihrem Anteil an den Öffnungen wieder eingezogen werden darf, und wird auf die Pflichtigen nach einem bestimmten Tarif verteilt, dessen Sätze verschieden sind, je nach der Größe der Ortschaft (sechs Klassen) und des Hauses, nach der Art und Zahl der Öffnungen (Fenster, Türen) und nach dem Stockwerk. Das Haus muß bewohnbar sein, es ist steuerfrei, wenn eine Vermietung nicht möglich ist. Die englische G. (inhabited houses tax) hat den gemischten Charakter einer Hausertrags- und Wohnungssteuer, indem sie bei geteilt vermieteten Häusern vom Eigentümer, sonst vom Bewohner, bez. Mieter zu entrichten ist. Ihr normaler Steuerfuß beträgt 3,75 Proz. vom Jahresbetrag der Miete, 2,50 Proz. bei Gebäuden, die Wohn- und gewerblichen Zwecken zugleich dienen.
Bei Neu-, Zu- und Umbauten wird als Reizmittel vielfach zeitweilig Steuerfreiheit gewährt (in Österreich bis zu 12 Jahren, dagegen keine Steuerfreijahre in Baden). Öffentliche Gebäude sind überall frei, vielfach auch kleine Wohnungen, so in England solche mit einem Jahresertrag von weniger als 20 Pfd. Sterl. (etwa 80 Proz. aller Gebäude), in Dänemark solche mit weniger als 80 Quadratellen Grundfläche, dann auch unter gewissen Voraussetzungen Arbeiterwohnungen (so in Österreich, Gesetz von 1890 und 1902). Über die G. als Wohnungs-, Miet- und Aufwand steuer s. Wohnungssteuer. Vgl. Gauß, Die G. su Preußen (3. Aufl., Berl. 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.