- Cento [2]
Cento (lat.), eigentlich ein aus Lappen zusammengeflicktes Kleid, dann ein aus Einzelversen oder Versteilen bekannter Dichter (bei den Griechen besonders Homer, bei den Römern Vergil) mit verändertem Inhalt zusammengesetztes Gedicht. Namentlich verfaßten Christen religiöse Gedichte dieser Art. um so die heidnischen Worte gleichsam zu veredeln. So gibt es aus byzantinischer Zeit aus Homerischen Versen zusammengesetzte biblische Geschichten (vgl. Athenais) und einen aus 2610 Euripideischen Versen zusammengeflickten »Leidenden Christus« (»Christus patiens«, hrsg. von Brambs, Leipz. 1885). Aus Vergilischen Versen besteht z. B. die heilige Geschichte der Proba (Faltonia), um 350 n. Chr. (hrsg. von Schenkl in »Poetae latini christiani minores«, Wien 1887), eine Tragödie »Medea« des Hosidius Geta und Ausonius' berüchtigter »C. nuptialis«. Während des Mittelalters und der neuern Zeit wurde die Centopoesie mit nicht geringerm Fleiß gepflegt. Metellus, ein Mönch zu Tegernsee im 12. Jahrh., benutzte Vergils Eklogen und Horaz' Oden zu Erbauungsliedern zu Ehren des heil. Quirinus (»Quirinalia«, hrsg. von Basnage, Amsterd. 1725); Lälius Capilupus (1535) schrieb nach Vergil ein Gedicht über das verderbte Leben der Mönche; Etienne de Pleure besang Christi Taten in Vergilischen Versen (»Sacra Aeneis«, Par. 1618) u. a. Eine Sammlung religiöser Centonen aus Versen des Petrarca enthält des Minoriten H. Maripetro »Petrarca spirituale« (Vened. 1536). Vgl. Borgen, De centonibus homericis et virgilianis (Kopenh. 1828); Hasenbalg, De centonibus virgilianis (Putbus 1846); Delepierre, Tableau de la littérature du Centon (Lond. 1875, 2 Bde.). – In der Musik ist C. soviel wie Flickoper oder eine andre größere, aus Bruchstücken andrer Werke zusammengesetzte Komposition (Centone, Pasticcio). Auch das Antiphonar Gregors d. Gr., das eine Sammlung der in den verschiedenen Kirchen Italiens üblichen Gesänge war, wird im Mittelalter C. genannt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.