Brechung [2]

Brechung [2]

Brechung (Refraktion), die Richtungsänderung, welche Lichtstrahlen, dunkle Wärmestrahlen, chemische und elektrische Strahlen beim Übergang aus einem durchsichtigen Mittel in ein andres erleiden. Fällt z. B. ein Lichtstrahl l n (Fig. 1) aus der Luft schräg auf eine ruhige Wasseroberfläche, so wird er daselbst z. T. zurückgeworfen; zum größern Teil aber dringt er in das Wasser ein und geht auch als geradliniger Lichtstrahl weiter, aber in einer andern, weniger schrägen Richtung n s.

Fig. 1. Brechungsgesetz.
Fig. 1. Brechungsgesetz.

Denkt man sich in dem Einfallspunkt n eine Senkrechte n d errichtet und auch in das Wasser hinein (nach n f) fortgesetzt (das Einfallslot), so zeigt sich, daß die Ebene, die den einfallenden Strahl l n und das Einfallslot enthält (die Ebene der Zeichnung), stets auch den gebrochenen Strahl n s in sich aufnimmt. Sie heißt deshalb die Brechungsebene. Die Richtung der Strahlen selbst wird durch die Winkel bestimmt, die sie mit dem Einfallslot bilden, nämlich durch den Einfallswinkel (Inzidenzwinkel) i und den Brechungswinkel (Refraktionswinkel) r. Jedem Einfallswinkel (E) entspricht ein Brechungswinkel (B) von bestimmter Größe. Indem man die zusammengehörigen Winkel mißt, findet man z. B. zu dem

Tabelle

In Fig. 1 ist zu dem Einfallswinkel i = 60° der Brechungswinkel r = 401/2° gezeichnet. Beschreibt man in der Brechungsebene um den Einfallspunkt n einen Kreis mit beliebigem Halbmesser und zieht von den Punkten a und b aus, in denen der einfallende und der gebrochene Strahl die Kreislinie schneiden, die Geraden a d und b f senkrecht auf das Einfallslot, so ergibt sich, daß b f 3/4 ist von a d oder a d 4/3 von b f. Verfährt man ebenso für alle in der obigen Tabelle ausgeführten Winkelpaare, so ergibt sich stets, daß die zum Einfallswinkel gehörige Senkrechte 4/3mal so groß ist als die zum Brechungswinkel gehörige. Die Zahl 4/3 oder 11/3, die als Maß gelten kann für die Stärke der B. beim Übergang des Lichts aus Luft in Wasser, heißt das Brechungsverhältnis (Brechungsindex, Brechungskoeffizient, Brechungsexponent) des Wassers. Jeder durchsichtige Körper besitzt ein ihm eigentümliches Brechungsverhältnis, das z. B. beträgt bei:


Tabelle

Diese Werte gelten für Strahlen mittlerer Brechbarkeit; über die Brechungsverhältnisse verschiedenfarbiger Strahlen s. Farbenzerstreuung. Über genaue Bestimmung der Brechungsverhältnisse s. Prisma.

In der Geometrie nennt man die Senkrechten a d oder b f (Fig. 1), falls der Halbmesser des Kreises = 1 genommen worden ist, die Sinus der zugehörigen Winkel i und r. Wir können daher das Brechungsgesetz in folgender Weise aussprechen: Der Sinus des Einfallswinkels steht zum Sinus des Brechungswinkels in einem unveränderlichen Verhältnis oder, wenn man den Brechungsindex mit n bezeichnet, sin i: sin r = n.

Bei dem Übertritte des Lichts aus der Luft in einen flüssigen oder festen Körper wird der gebrochene Strahl dem Einfallslot genähert. Kommt aber ein Lichtstrahl in der Richtung s n aus dem Wasser, so schlägt er die Richtung n l ein und wird sonach durch die B. vom Lot entfernt. Für die zusammengehörigen Winkel r und i gelten jetzt genau dieselben Werte wie vorhin; das Brechungsverhältnis für den Übergang aus Wasser in Luft ist sonach 3/4, während dasjenige aus Luft in Wasser 4/3 beträgt. Läßt man den aus dem Wasser (etwa von dem Punkt A, Fig. 2) kommenden Strahl immer schräger auf die Wasseroberfläche fallen, so nimmt auch der austretende Strahl eine immer schrägere Richtung an, und wenn der Einfallswinkel im Wasser den Wert 481/2° erreicht hat, streift der austretende Strahl an der Wasseroberfläche hin: sein Austrittswinkel beträgt jetzt 90°.

Fig. 2. Totale Reflexion.
Fig. 2. Totale Reflexion.

Einen größern Austrittswinkel kann es aber nicht geben; mit ihm ist die Grenze der Möglichkeit des Austrittes erreicht. Wenn daher der Strahl noch etwas schräger von innen auf die Wasseroberfläche trifft, so tritt kein Licht mehr in die Luft hinaus; die Wasserfläche erweist sich für so schief auffallende Strahlen als völlig undurchdringlich. Während sich bei den weniger schrägen Strahlen das Licht zwischen einem austretenden und einem in das Wasser zurückgeworfenen Strahl teilte, so wird dasselbe bei jenem Einfallswinkel sowie bei jedem größern vollständig zurückgeworfen (total reflektiert). Der Einfallswinkel, bei dem der Austritt aufhört und die Totalreflexion beginnt, also derjenige, zu dem ein Austrittswinkel von 90° gehört heißt der Grenzwinkel; er beträgt für Wasser 48,5° für Glas 40,75°, für Diamant 23,75°. Der Grenzwinkel g wird gefunden aus der Gleichung: $. Umgekehrt kann, wenn der Grenzwinkel gemessen ist, daraus der Brechungsindex gefunden werden (Totalreflektometer).

Eine Glasfläche, an der das Licht vollständig zurückgeworfen wird, erscheint in erhöhtem, metallähnlichem Glanz; sie bildet den klarsten und vollkommensten Spiegel, den man herstellen kann. Man verwendet daher bei optischen Instrumenten häufig ein total reflektierendes Prisma (Reflexionsprisma, Fig. 3), um die Strahlen ohne merklichen Verlust an Lichtstärke in eine andre Richtung zu lenken. Dasselbe besteht aus einem Glasstück, an das zwei zueinander rechtwinkelige Flächen A C und B C und eine dritte Fläche A B angeschliffen sind, die zu jenen unter Winkeln von 45° geneigt ist.

Fig. 3. Totalreflektierendes Prisma.
Fig. 3. Totalreflektierendes Prisma.

Lichtstrahlen, die senkrecht auf die Fläche A C fallen, dringen ohne Ablenkung in das Glas und treffen unter einem Einfallswinkel von 45° (der sonach größer ist als der nur 403/4° betragende Grenzwinkel) auf die Fläche A B; hier werden sie vollständig zurückgeworfen und treten sodann, wieder ohne Ablenkung, aus der Fläche A C aus.

Ein lichtstrahlender Punkt (A, Fig. 2), der sich unter Wasser befindet, wird von einem Auge, das von obenher in das Wasser schaut, nicht an seinem wirklichen Ort, sondern an einer höher liegenden Stelle gesehen, weil die aus dem Wasser austretenden Strahlen stärker auseinandergehen als die im Wasser verlaufenden und daher von einem der Wasserfläche näheren Punkt herzukommen scheinen. Daher erscheint ein Gewässer, dessen Grund man sehen kann, weniger tief, als es wirklich ist; der unter Wasser befindliche Teil eines lotrecht stehenden Pfahles zeigt sich verkürzt und ein schief ins Wasser gehaltener Stab an der Eintauchungsstelle geknickt. Eine unter Wasser liegende Münze wird, von oben betrachtet, schwach vergrößert gesehen, weil sie dem Auge genähert und daher unter einem größern Sehwinkel erscheint.

Die B. erklärt sich aus dem Umstande, daß die Lichtwellen in dem stärker brechenden Mittel sich langsamer fortpflanzen als in dem schwächer brechenden, z. B. im Wasser langsamer als in der Luft. Das Brechungsverhältnis ist nichts andres als das Verhältnis der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten des Lichts im ersten und im zweiten Mittel; so verhält sich z. B. die Lichtgeschwindigkeit in der Luft zu derjenigen im Wasser wie 4 zu 3, oder die Lichtgeschwindigkeit im Wasser beträgt nur 3/4 von derjenigen in der Luft. Vgl. Wellenbewegung.

Newtons Emissionstheorie führte dazu, den Ausdruck n2-1 (worin n den absoluten Brechungsexponenten, d. h. die B. für Übergang des Lichts aus dem leeren Raum in das Medium bedeutet) die brechende Kraft des Mediums zu nennen, der Quotient (n2-1)/d worin d die Dichtigkeit des Mittels bedeutet, das spezifische Brechungsvermögen, sollte konstant, d. h. unabhängig von d sein. Die elektromagnetische Lichttheorie ersetzte den letztern Ausdruck durch (n2-1)/(n2+1)•(1/d) (H. A. Lorentz). Annähernd läßt sich das spezifische Brechungsvermögen einer Mischung aus dem der Bestandteile berechnen. – B. der Akkorde s. Arpeggio; B. der Stromlinien, s. Elektrischer Strom; B. des Schalles, s. Schall.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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