Wertzuwachssteuer

Wertzuwachssteuer

Wertzuwachssteuer, eine Steuer von den Wertsteigerungen des bebauten und unbebauten Grund und Bodens, namentlich in den Städten. Eine besondere Art der W. ist die Bauplatzsteuer, die nur die bei städtischen Bauplätzen sich vollziehende Wertsteigerung treffen will. Es soll mit dieser Steuer der Allgemeinheit die Möglichkeit verschafft werden, einen wenn auch bescheidenen Anteil von den häufig sehr großen Gewinnen zu beziehen, die aus dem Monopolcharakter des Grund und Bodens und den durch gesellschaftliche Veranstaltungen (allgemeines Aufblühen der Städte, Anlegung von Baulinien und Straßen, Errichtung öffentlicher Gebäude etc.) hervorgerufenen Wertsteigerungen entstehen. Da der Wertzuwachs selten auf persönlichen Verdiensten, vielmehr zum größten Teil auf günstigen Konjunkturen beruht, also »unverdienter Wertzuwachs« (inearned increment) ist, so wird eine W. von vielen für um so berechtigter gehalten. Auf eine solche Steuer hat schon Stuart Mill, unter den neuern deutschen Nationalökonomen besonders A. Wagner hingewiesen; sie hat ihre lebhaftesten Befürworter bei den Bodenreformern (s. Bodenbesitzreform) gefunden. Man unterscheidet zwei Arten von W., eine direkte und eine indirekte. Unter der direkten ist eine Abgabe zu verstehen, die in gewissen Zeiträumen von dem durch Abschätzung des Grundstückswertes ermittelten, inzwischen neu entstandenen Wertzuwachs erhoben wird. Die indirekte ist eine Abgabe, die beim Eigentumswechsel, also als Vermögensverkehrssteuer, von dem seit dem letzten Eigentumswechsel entstandenen Wertzuwächse fällig wird. Bekannt ist die von der deutschen Verwaltung im Schutzgebiet Kiautschou 1898 eingeführte W., die gleichzeitig eine direkte und indirekte ist. Die erstere wird alle 25 Jahre von allen Grundstücken in Höhe von 331/2 Proz. des Wertzuwachses erhoben, falls in dieser Zeit nicht ein Eigentumswechsel eingetreten ist; die letztere wird in gleicher Höhe bei jedem Eigentumswechsel erhoben. In den deutschen Gemeinden ist 1894 zuerst in Frankfurt a. M. der zunächst erfolglose Versuch der Einführung einer W. gemacht worden; 1904 wiederholt, fand er die Zustimmung der städtischen Behörden; 1905 folgten Köln und Gelsenkirchen, 1906 Dortmund und Essen, dann Lindau, Hanau, Liegnitz, Marburg, Kreuznach, Paderborn, Breslau, mehrere Berliner Vororte, Jena u. a. In andern Städten, darunter Berlin, steht ihre Einführung auf der Tagesordnung. Der preußische Landtag hat den Kreisen durch das Kreis- und Provinzialabgabengesetz vom 23. April 1906, ein hessisches Gesetz vom April 1907 den Gemeinden das Recht zur Einführung einer W. erteilt. In andern Staaten werden gleiche gesetzgeberische Maßnahmen geplant. In Einzelheiten weisen die bestehenden Wertzuwachssteuern erhebliche Unterschiede auf, die sich auf die Art der Veranlagung, die Höhe der Steuer etc. beziehen. Sie bietet auch nicht wenig Schwierigkeiten, so in bezug auf die Frage, was als steuerpflichtiger Wertzuwachs anzusehen, von wann ab der entstandene Wertzuwachs zu berechnen, wie die Steuersätze zu bemessen, ob eine Quote der Wertsteigerung von der Steuer zu befreien, wie es beim Übergang von Grundstücken an Deszendenten zu halten ist u. a. Als Beispiel einer städtischen W. sei die von Frankfurt a. M. vom 19. Febr. 1904, hier »Währschaftsgeld« genannt, erwähnt. Sie beträgt 2 Proz. des Erwerbspreises, bez. des gemeinen Wertes bei allen nicht unmittelbar auf Erbfall beruhenden Eigentumswechseln. Außerdem werden Zuschläge erhoben, wenn seit dem letzten Eigentumswechsel eine Frist von mehr als 20 Jahren bei bebauten, mehr als 10 Jahren bei unbebauten Grundstücken verflossen ist. mit 1 Proz. bei bebauten Grundstücken nach 20–30 Jahren, 11/2 Proz. nach mehr als 30–40 Jahren, 2 Proz. bei mehr als 40 Jahren, mit 1,2,3 bis 6 Proz. (nach 60 Jahren) bei unbebauten Grundstücken. Sind seit dem frühern Eigentumswechsel weniger als 5 Jahre bei bebauten, weniger als 10 Jahre bei unbebauten Grundstücken verflossen, so wird unter der Voraussetzung einer mindestens 30 Proz. betragenden Wertsteigerung ein Zuschlag zur 2 proz. Umsatzsteuer erhoben, der beträgt

Tabelle

u. s. s. je 1 Proz. mehr für 5 Proz. Wertsteigerung bis zum Höchstbetrag von 25 Proz. Vgl. Adickes, Studien über die weitere Entwickelung des Gemeindesteuerwesens etc. (Tübing. 1894); Damaschke, Die Bodenreform (2. Aufl., Berl. 1903); Brunhuber, Die W. (Jena 1906); Köppe, Die Zuwachssteuer (im »Jahrbuch für Bodenreform«, Bd. 2, das. 1906); Merlo, Neue Steuern für den Haus- und Grundbesitz, insbes. die W. (Köln 1905); Pabst und Pohlmann, Kritik der Bodenreform (Berl. 1905); Bredt, Der Wertzuwachs an Grundstücken und seine Besteuerung in Preußen (Berl. 1907); Boldt, Die W. (2. Aufl., Dortmund 1908); Kumpmann, Die W. (Tübing. 1907).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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