Wasserjungfern

Wasserjungfern

Wasserjungfern (Seejungfern, Libellen, Himmelspferde, Schillebolde, Brettschneider, Teufelsnadeln, Libellulidae, Odonata; hierzu Tafel »Wasserjungfern«), Familie der Falschnetzflügler, Insekten mit frei drehbarem, quer zylindrischem oder halbkugelförmigem Kopf, sehr großen Augen, deutlichen Nebenaugen, kleinen Fühlern, kräftig ausgebildeten Mundteilen, vier glasartigen, dicht netzartig geäderten Flügeln und nach innen stachligen Schenkeln und Schienen. Der Hinterleib, am vorletzten Ringe mit zwei ungegliederten, griffel- oder blattartigen Reisen versehen, die beim Männchen auch zu Zangen werden, ist sehr lang, oft nadelartig. Bei mehreren Gattungen sind die Geschlechter von auffallend verschiedener Körper- oder Flügelfärbung. Die W. fliegen sehr ausdauernd und rasch, fangen andre Insekten im Fluge und sind sehr gefräßig. Auch die Begattung erfolgt im Fluge, wobei das Männchen mit seinen Reisen den Nacken des Weibchens ergreift, das sodann die Spitze seines Hinterleibes gegen das im blasenartig aufgetriebenen und mit 2 hakenförmigen Haftorganen versehenen zweiten Bauchringe des Männchens befindliche Kopulationsorgan krümmt. Letzteres muß das Männchen vor der Begattung an den im neunten Hinterleibsring liegenden Ausgängen der Hoden mit Samen füllen. Nach der Begattung legt das Weibchen die Eier ins Wasser oder in Wasserpflanzen, die es mit seiner kurzen Legeröhre anschneidet. Die Larven leben im Wasser und sind von großer Raubgier. Sie gleichen dem geschlechtsreifen Insekt, haben aber kleinere Augen und längere Fühler; ihre Unterlippe ist zu einem Raubarm (Maske) umgestaltet, den die Larve gegen ihre Beute weit vorschnellen kann. Die kleinern besitzen am Hinterleibsende blattförmige Kiemen; bei den übrigen befinden sich Tracheenkiemen im Mastdarm, und der große, mit drei Klappen versehene After vermittelt den Ein- und Austritt des Wassers und durch letztern zugleich taktmäßige Schwimmbewegungen. Die Entwickelung erfolgt meist in einem Jahre; die überwinterte Larve kriecht an einer Wasserpflanze oder an einem Pfahl eine Strecke empor und setzt sich fest, die Haut zerreißt vom Nacken bis auf den Kopf, und durch diesen Riß arbeitet sich das Insekt heraus. Die W. sind über alle Erdteile verbreitet; Europa besitzt etwa 100 Arten. Die gemeine Schlankjungfer (Lestes [Agrion] puella L.), 3,5 cm lang, grünlich erzfarben, mit himmelblauen Längsbinden und blauer Unterseite des Thorax; am Hinterleib ist der erste bis sechste Ring blau mit schwarzer Spitze, der zweite mit H-förmiger, schwarzer Zeichnung, die beiden vorletzten sind ebenfalls blau. Bei der verlobten Schlankjungfer (L. sponsa L.) bleibt das Pärchen nach der Begattung verbunden, läßt sich auf Binsen nieder, und das Weibchen legt, wie es die Tafel zeigt, mit gekrümmtem Hinterleib Eier in die angeschnittene Binse. Dann geht es, das Männchen mit sich ziehend, an dem Halm einige Schritte abwärts, legt wieder Eier etc. Die große Schmaljungfer (Aeschna grandis L.), 6,5 cm lang, ist rostfarbig, kaum gefleckt, an den Thoraxseiten mit zwei gelben Binden und auf den Flügeln gelb. Der gemeine Plattbauch (Libellula depressa L.), gelbbraun, am Hinterleib des reisen Männchens himmelblau bereist, mit großem, länglichem, dunklem Fleck an der Wurzel der vordern und dreieckigem an der der hintern Flügel, tritt, ebenso wie L. quadrimaculata L., mit safrangelbem Körper, schwarzer Hinterleibsspitze und safrangelben, in der Mitte des Vorderrandes mit einem schwarzbraunen Fleck gezeichneten Flügeln, zuweilen in ungeheuern Mengen auf und unternimmt weite Züge. Vgl. v. d. Linden, Monographiae Libellularum Europae specimen (Brüssel 1825); Charpentier, Libellulinae europaeae (Leipz. 1840); de Sélys-Longchamps, Monographie des Libellulidées d'Europe (Par. 1840), Revue des Odonates ou Libellules d'Europe (mit Hagen, Brüssel 1850) und Synopsis des Odonates (das. 1853–65,10 Hefte).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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