- Wallfahrten
Wallfahrten (Betfahrten, lat. Peregrinationes religiosae), in der katholischen Kirche Wanderungen oder Reisen, teilweise unter Gebet und Gesang, um entfernte heilige Orte (Gnadenorte), Reliquien oder wundertätige Heiligenbilder (Gnadenbilder) und Quellen, an die sich besondere Erinnerungen und Wunderereignisse knüpfen, zwecks Hilfe in geistiger und leiblicher Not oder aus bloßer Andacht und Buße zu besuchen (vgl. Pilger). Ihr Vorbild haben die W. in den Festreisen der Juden nach Bethel, zur Bundeslade und zum Tempel. Auch Griechen und Römer unternahmen Reisen nach fernen Tempeln, und die Germanen veranstalteten »Waldfahrten« nach heiligen Hainen. Schon früh wurden auch im Christentum die heiligen Stätten in Jerusalem aufgesucht, namentlich nach der Kreuzauffindung, und bereits zu Ende des 4. Jahrh. eiferten die Kirchenväter gegen dabei zutage tretende Mißstände. Bald kam auch der Besuch der Gräber der Apostel und Märtyrer in Übung, bis endlich im Zeitalter der Kreuzzüge der Besuch des Heiligen Landes die höchste Sehnsucht jedes Christen wurde. Auch nach dem Verluste Palästinas blieb das Heilige Land Hauptziel von W., die neben der Wallfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten in Rom (limina apostolorum) und des heil. Jakobus in Santiago de Compostela sowie zum heiligen Hause von Loreto als Ersatz für strenge Kirchenbußen galten. Besonders berühmte Wallfahrtsorte sind noch jetzt Tschenstochow, Einsiedeln, Kevelaer, Altötting, Loreto, Lourdes, Montserrat u. a. Im Islam gibt es zweierlei W.: Hadsch, die Wallfahrt zum Grabe Mohammeds in Mekka, die vorgeschrieben ist, und Ziaret, der Besuch heiliger Gräber im allgemeinen, der als gottgefälliges Werk gilt (s. Mekka und Islam). Vgl. Marx, Das Wallfahren in der katholischen Kirche (Trier 1842); Rudniki, Die berühmtesten Wallfahrtsorte der Erde (2. Ausg., Paderb. 1897); A. Müller, Das heilige Deutschland. Geschichte und Beschreibung sämtlicher im Deutschen Reiche bestehender Wallfahrtsorte (2. Aufl., Köln 1897); Baumstark, Abendländische Palästinapilger des ersten Jahrtausends (Köln 1906).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.