- Vesūv
Vesūv (ital. Monte Vesuvio, lat. Vesuvius oder Vesevus), der einzige noch tätige Vulkan auf dem europäischen Festland, erhebt sich 10 km südöstlich von Neapel als ein isolierter Kegel mit zwei Gipfeln auf einer fast kreisförmigen Basis von 200 qkm Fläche aus der Kampanischen Ebene unmittelbar am Meere. Der südliche Gipfel (jetzt 1223 m) ist der eigentliche V., der mit einer Neigung von ca. 10° aufsteigt und mit einem Aschenkegel von durchschnittlich 30° Neigung gekrönt ist. Durch den letzten Ausbruch im April 1906 wurde seine Form wesentlich verändert, die Höhe um 114 m vermindert. Der nördliche Gipfel (1132 m) heißt Monte di Somma; er umgibt den eigentlichen Vesuvkegel im N. und O. als ein halbkreisförmiger Bergrücken, ist von diesem durch ein tiefes, sichelförmiges Tal, Atrio del Cavallo, geschieden und bildet den Rest eines vorhistorischen, durch den Ausbruch von 79 n. Chr. zerstörten Kraters. Der Gipfel ist wegen der Kraterausbrüche großen Veränderungen unterworfen. Auch der Durchmesser des Gipfelkraters ist sehr veränderlich, ebenso Schlund und Boden. Der Fuß des Berges ist trotz der sich beständig wiederholenden Ausbrüche von mehr als 80,000 Menschen bewohnt und mit Fruchtbäumen und Weinbergen bedeckt. Zwischen diesen Weingärten schneiden tiefe, unfruchtbare Talschluchten ein, in denen vieljährige Lava in zackigen Felsen aufgehäuft ist. Die Mittelregion des Berges ist kahl, und nur an einigen Stellen, wo Lavaströme das Erdreich nicht verwüstet haben, finden sich Kastanienbüsche und einzelne Wein- und Obstgärten. Am Fuße des eigentlichen Aschenkegels, auf einem nach W. gestreckten Bergrücken, 603 m ü. M., befindet sich das Observatorium für meteorologische und namentlich seismologische Beobachtungen und die Erforschung der atmosphärischen Elektrizität, mit einer Bibliothek und einer Sammlung vulkanischer Produkte. Eine Straße sowie eine elektrische Vesuvbahn (7,5 km) führen von Resina zum Observatorium und weiter zum Fuße des Aschenkegels (795 m), von wo eine elektrische Drahtseilbahn (1906 zerstört) zum Gipfel führt. Vgl. die Karte »Umgebung von Neapel« (in Bd. 14) und Tafel »Vulkane II«. – Im Altertum galt der V. als ein erloschener Vulkan. Der furchtbare Ausbruch des Jahres 79 n. Chr., der die Städte Herculaneum, Pompeji und Stabiä verschüttete und dem Naturforscher Plinius das Leben kostete, hatte sich schon seit dem Jahre 63 in zerstörenden Erdbeben angekündigt. Seitdem sind mit nur kürzern Pausen zahlreiche Ausbrüche eingetreten. Zu den heftigsten gehören die von 203, 472, 512, 685, 982, 1036, 1139; hierauf folgte eine lange Pause, bis 1631 wieder ein heftiger Ausbruch stattfand, dem andre 1638, 1660, 1680 und von da an bis 1790 eine ganze Reihe von Eruptionen nachfolgten. Bei den kleinern erhob sich in der Regel der Gipfel, während er bei den größern an Höhe verlor. 1794 fand wieder einer der mächtigsten Ausbrüche statt, der Torre del Greco zerstörte. Im 19. Jahrh. waren von größerer Bedeutung die Ausbrüche der Jahre 1804, 1810, 1822, 1828, 1831, 1834, 1839, dann 1850, 1855, 1856, 1857, 1858, 1868. Ein starker Ausbruch erfolgte im April 1872. Bereits seit Monaten hatte der Lavaausfluß gedauert; am 24. April ergoß sich ein Lavastrom von der Südseite des Kegels hinab; am 26. morgens riß der Kegel in seiner ganzen Länge von der Spitze bis zum Atrio mit weit klaffender Spalte auf, der nun eine ungeheure Lavamasse entquoll. Zu gleicher Zeit schleuderten die beiden Gipfelkrater unter heftigen Detonationen zahllose glühende Wurfmassen bis zur Höhe von 1300 m empor. Hierbei kamen etwa 30 Zuschauer um. Die Hauptmasse der Lava drang nordwestlich bis zwischen die Ortschaften Massa und San Sebastiano vor und zerstörte sie teilweise. Vom Juli 1895 bis Juli 1898 ergossen sich über 100 Mill. cbm Lava, am untern Ausgange des Atrio del Cavallo einen ca. 100 m hohen Hügel bildend. Beim letzten großen Ausbruch im April 1906 wurden Verheerungen mehr durch einen fast die ganze Umgegend heimsuchenden mehrtägigen Aschenregen als durch die Lava angerichtet. Er verdunkelte tagelang die Luft, bedeckte Straßen, Gebäude, Pflanzungen in Sant' Anastasia, Somma, Ottajano, San Giuseppe, Terzigni meterhoch, hüllte Neapel in eine 5 cm hohe, weißgraue Decke und gelangte bis Benevent, Ceprano, sogar nach Montenegro. Ein Teil von Boscotrecase und vom Gelände Torre Annunziatas wurde durch Lavaströme vernichtet, die am Südostabhang in 600, 800 und 1200 m Höhe hervorbrachen. 150 Menschen fanden, zumeist unter den Trümmern einstürzender Gebäude, den Tod. Vgl. Roth, Der V. und die Umgebung von Neapel (Berl. 1857); Rath, Der V. (das. 1873); Palmieri, Il Vesuvio e la sua storia (Mail. 1880); »Lo spettatore del Vesuvio« (hrsg. vom italienischen Alpenklub, Neap. 1887); Baratta, Il Vesuvio e le sue eruzioni (Rom 1897); Schneer und v. Stein-Nordheim, Der V. und seine Geschichte (2. Aufl., Karlsr. 1896); Furchheim, Bibliografia del Vesuvio (Neapel 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.