- Beschäftigungsneurosen
Beschäftigungsneurosen, Affektionen, die ohne nachweisbare anatomische Veränderungen unter dem Einfluß einer bestimmten Berufstätigkeit sich entwickeln. Zu den Sensibilitätsneurosen gehören die Hautanästhesien der Arbeiter, die in sehr kalten, sehr heißen oder chemisch differenten Flüssigkeiten hantieren; Schmerzgefühl, Tastsinn und Temperatursinn sind nicht immer in gleichem Grade herabgesetzt. Häufig gesellen sich vasomotorische Störungen hinzu (Gefäßkrampf bei Wäscherinnen). Die Prognose ist ungünstig, höchstens kommt es zu geringen Besserungen bei Aufgabe der Beschäftigung. Neuralgien der Hände und Vorderarme finden sich als Folge häufigen und starken Temperaturwechsels, oft verbunden mit Störungen. der Sensibilität, namentlich mit Ameisenkriechen. Überanstrengung verursacht wahrscheinlich die Ischias bei Schneidern und Näherinnen. Motilitätsneurosen finden sich bei chronischer Bleivergiftung; manche zeigen sich, wieder Schreibkrampf, an einem ganzen Komplex von Muskelgruppen, die zur Leistung einer bestimmten komplizierten Beschäftigung gemeinsam tätig sind, und treten nur bei der Ausübung gerade dieser Beschäftigung oder bei dem Versuch dazu auf, während jede andre, auch komplizierte Tätigkeit ungestört von statten geht. Dergleichen B. finden sich bei Schreibern, Klavier-, Violinspielern, Telegraphisten, Tambouren, bei Uhrmachern, Zigarrenarbeitern, Schneidern, Schustern, Drechslern, Melkern etc., ähnliche Störungen der Kehlkopfmuskeln bei Lehrern, Predigern, Sängern. Auch am Auge gibt es solche Zustände, wie Asthenopie und Nystagmus. Die Prognose ist im allgemeinen ungünstig; die Behandlung erfordert länger fortgesetzte vollständige Arbeitsenthaltung und Anwendung von Massage und Elektrizität. Neurosen im Gebiete der Sinnesnerven zeigen sich in einer Abnahme der Hörfähigkeit bei Eisenbahnschaffnern und Heitern, in Blendungsgefühl, schneller Abnahme der Sehfähigkeit bei abnehmender Beleuchtung, bei Arbeitern in Werkstätten mit elektrischem Licht, beim Arbeiten in grellem, reflektiertem und diffusem Licht.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.