- Unternehmergewinn
Unternehmergewinn ist der Überschuß, den der Unternehmer (s. Unternehmung) über sämtliche Kapital- und Arbeitsaufwendungen mit Einschluß der in Anrechnung zu bringenden Verzinsung erzielt. Wären Befähigung und Trieb zu allen möglichen Unternehmungen bei allen Menschen gleich groß, wären bei vollständig freier Konkurrenz alle Kapitalien vollkommen frei und leicht übertragbar, könnten Umfang und Zahl der Unternehmungen beliebig ausgedehnt und eingeschränkt werden, so würde es einen U. nicht geben und, unter der Voraussetzung, daß Kapitalisten den Lohnarbeitern gegenüberstehen, den erstern das Kapital einen gleichen Gewinn (im weitern Sinne) oder Zinssatz abwerfen. Nun treffen aber jene Annahmen in Wirklichkeit nicht zu. Zunächst sind die Unternehmungen nicht beliebig ausdehnungsfähig, die Kapitalien nicht gleich beweglich und übertragbar und von verschiedener Qualität. Infolgedessen werden bei Änderung der Konjunkturen, Steigen oder Sinken per Preise und Kosten auch ohne Zutun des Unternehmers im einen Falle Verluste unvermeidlich sein, im andern Überschüsse erzielt werden. Zu den genannten Ursachen von Gewinn und Einbuße kommen nun noch die Wirkungen der verschiedenen Eigenschaften und Fähigkeiten der Unternehmer sowie Gunst und Ungunst ihrer individuellen Stellung. Durch besondere Tüchtigkeit kann der einzelne seine Einnahmen unter Umständen weit über die anderer Unternehmer derselben Branche hinaus vermehren. Weiter können diese gesteigert werden durch die Gunst äußerer Verhältnisse, sei es infolge formeller rechtlicher Ausschließung (Monopol, Patent), sel es infolge sonstiger Überlegenheit (großer Besitz, Ansehen beim Publikum, Gewohnheiten des letztern, günstige Gestaltung der Marktverhältnisse, Möglichkeit, leicht Kenntnis von bessern Betriebsweisen zu erlangen, etc.).
Die Wirksamkeit des Unternehmers wird oft über-, sehr häufig aber auch unterschätzt. Zu hoch wird sie von denjenigen beurteilt, die von der Ansicht ausgehen, der U. sei lediglich eine Folge vorzüglicher Tätigkeit, nicht auch von günstigen äußern Verhältnissen, und die daher mit Vorliebe von einem Unternehmerlohn sprechen. Viel zu gering wird sie von denjenigen geachtet, die jeden Gewinn als mühelosen Raub an der Arbeit ansehen und glauben, es könne die Tätigkeit des selbständigen Unternehmers durch diejenige eines besoldeten Beamten ersetzt werden, Jedenfalls ist die Aussicht. durch tüchtige, den Anforderungen der Gesellschaft entsprechende Unternehmungen einen mehr oder minder großen Gewinn zu erzielen, ein durch andre Mittel nicht zu ersetzender Reiz zu besserer, billigerer Versorgung der Gesamtheit und zu wirtschaftlichem Fortschritt. Das Streben nach Überschüssen treibt zu Ersparungen, zur Einführung besserer Produktionsmethoden, Verwendung wirksamerer Kapitalien und vorteilhafterer Verwertung der erzeugten Produkte dadurch, daß jeweilig den relativ dringendern Bedürfnissen entgegengekommen wird. Natürlich sind hierbei Ausbeutung der Unklugheit, des Ungeschicks und der Schwachheit wie Gewinne, die nicht gerade der bessern Tätigkeit zu verdanken sind, nicht ausgeschlossen. Doch lassen sich die Anteile, die der Gunst der Konjunkturen, und solche, die der Tatkraft und tüchtigen Leitung zu verdanken sind, nicht oder nur innerhalb bescheidener Grenzen voneinander trennen, wenn die segensreiche Wirksamkeit der Unternehmertätigkeit nicht untergraben und Ungerechtigkeiten vermieden werden sollen. Mißstände, wie sie bei freier Konkurrenz eintreten können, lassen sich teils beseitigen, teils mindern durch Arbeiterschutz; gut organisiertes Kassen- und Versicherungswesen, Konzessionierung, Patent-, Musterschutz, durch Überweisung wirtschaftlicher Gebiete, auf denen die Spekulation leicht schädlich wirkt oder nur durch tatsächliche Monopole großer Kapitalien Gewinne zu erzielen sind, an Staat und Kommunalverbände u. dgl. Vgl. außer den Lehrbüchern der Nationalökonomie: Mangoldt, Die Lehre vom U. (Freiburg 1855); Pierstorff, Die Lehre vom U. (Berl. 1875); Böhmert; Die Gewinnbeteiligung (Leipz. 1878, 2 Tle.); Groß; Die Lehre vom U. (das. 1884).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.