Tschechen

Tschechen

Tschechen (Czechen, Cechen), westslawischer Volksstamm in der österreichisch-ungar. Monarchie, vorwiegend in Böhmen und Mähren seßhaft, wohin er um die Mitte des 5. Jahrh. n. Chr. aus Nordosten einwanderte. Ihren Namen läßt die Sage von ihrem ersten Anführer, Tschech, abstammen. Der tschechische Stamm umfaßt außer den eigentlichen T. in Böhmen auch die Mähren oder mährischen T. in Mähren (im westlichen Gebirge Horaken, in der Hanna Hannaken, im östlichen Gebirge Walachen genannt), und in Teilen von Schlesien (auch auf ein kleines Gebiet von Preußisch-Schlesien hinüberreichend), ferner die Slowaken (s. d.) im nordwestlichen Teil Ungarns. Sonst sind die T. in einzelnen Ansiedelungen auch in andern Kronländern vertreten. Ein starker Zuzug tschechischer Handwerker und Arbeiter (namentlich Erd- und Bauarbeiter) findet nach Niederösterreich, insbes. nach Wien, statt. Hinsichtlich des Gebiets der T. vgl. den Artikel »Tschechische Sprache«. Die Gesamtzahl der T. in Österreich-Ungarn betrug 1900: 7,975,038, wovon auf Österreich 5,955,397 (in Böhmen 3,930,093, in Mähren 1,727,270, in Schlesien 146,265, in Niederösterreich 132,968 [Wien 103,000] etc.), auf Ungarn 2,019,641 entfielen. Hierzu kommen noch etwa 75,913 T. in Deutschland (hauptsächlich Preußisch-Schlesien und Sachsen). Durch die alljährlich stattfindenden starken Auswanderungen nach Nordamerika soll die Zahl der T. dort bereits auf 1/4 Mill. und darüber angewachsen sein (Chicago allein zählte nach dem letzten Zensus 98,000 T.). Die T. gehören zum bei weitem größten Teil der römisch-katholischen Kirche an; von den böhmischen und mährischen T. sind nur ein kleiner Prozentsatz (3 Proz.), von den Slowaken dagegen etwa 283/4 Proz. Protestanten. Die tausendjährige Anstrengung, das eigne Wesen vor dem mächtigern Deutschtum zu retten, hat dem Tschechen manchen Charakterzug ausgedrückt, der sonst den Slawen fremd ist: Mißtrauen, Verschlossenheit und eine gewisse verbitterte nationale Erregtheit, da er sich immer durch den Deutschen gedrückt meint. Seine Natur zeigt aber manche schöne Eigenschaften. Er ist arbeitsam, tüchtig als Soldat und Beamter, hat natürlichen Verstand und rege Phantasie, faßt schnell, eignet sich leicht fremde Sprachen an und treibt gern Poesie und Musik. Weiteres s. in den Artikeln »Böhmen« (mit Karte, mit Nebenkärtchen der Sprachgebiete), »Österreich«, »Slawen« etc. Vgl. Vlach, Die Čecho-Slawen (Teschen 1883); auch Andree, Nationalitätsverhältnisse und Sprachgrenze in Böhmen (2. Aufl., Leipz. 1871); Zemmrich, Sprachgrenze und Deutschtum in Böhmen (Braunschw. 1902); Tetzner, Die Slawen in Deutschland (das. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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