Sonnenfestfeuer

Sonnenfestfeuer

Sonnenfestfeuer (Jahreszeitenfeuer), die feierliche Entzündung eines größern Feuerbrandes an den vier Hauptstationen des Sonnenlaufes, dem kürzesten und längsten Tage sowie der Frühlings- und Herbst-Tag- und Nachtgleiche, woraus in christlichen Zeiten die Weihnachts-, Oster-, Johannis- und Michaelisfeuer entstanden sind. Alle vier Jahresfeuer wurden in historischen Zeiten nur noch bei den Iren angezündet, die das Jahr in vier Viertel (rathas) teilten, deren jedes mit einem solchen S. eröffnet wurde. Es handelt sich dabei offenbar um einen altarischen Sonnenzauber, wie schon der heil. Augustin andeutet, indem er das Johannisfest, von dem ab die Sonne zu sinken beginnt, dem Weihnachtsfest gegenüberstellt, an dem die neue Sonne geboren wurde. Man erkennt dies ferner aus der großen Bedeutung, die jedem dieser S. für Gesundung von Mensch und Tier, die hindurchsprangen oder hindurchgeführt wurden, und für die Fruchtbarmachung der Felder, in die man die Kohlen- und Aschenreste vergrub, beigelegt wurden. Fruchtbares Saat- und Erntewetter, Minderung allzu starker Glut im Sommer, rechtzeitige Befreiung der gefangenen Wintersonne wurden davon erhofft (vgl. Sonnenkultus). Darauf deuten auch die beim Frühlings- und Mittsommerfeuer als Sonnensymbole dienenden glühenden Scheiben und brennenden Räder, die man teils emporwarf, teils von den Bergen ins Flußtal laufen ließ, um ein gutes Weinjahr zu erzielen. Mit dem Erlöschen des Glaubens an die durch die S. auf die Sonne ausgeübte Macht erloschen diese selbst, indessen wurde fast überall eins derselben als Volksfest mit Feuerwerk in Gebrauch erhalten. Zuerst erloschen die Herbstfeuer, die sich nur noch in wenigen Gegenden erhalten haben, das Weihnachtsfeuer (der Julblock) zog sich der Strenge der Jahreszeit gemäß in England, Skandinavien und Deutschland mehr auf den häuslichen Herd zurück, wurde aber selbst in Frankreich und den slawischen Ländern als Caligneau oder Calendeau noch bis in die letzten Jahrhunderte hinein durch Gebete, feierliche Umgänge und auf den Brand gegossene Weinspenden begangen. Zuletzt blieben die Frühlings- und Hochsommerfeuer allein übrig. In Alt-Rom war es das Palilienfest (21. April), am Geburtstage der Stadt Rom, durch dessen Feuer das Vieh vor dem Austreiben gesund gemacht wurde, in den Keltenländern das Bealtine- oder Pfulfest (2. Mai). In Norddeutschland bevorzugt man gegenwärtig die mit der Vertreibung des Winterdämons (s. Winteraustreiben) verbundenen Osterfeuer, in Süddeutschland die von allen Bergspitzen leuchtenden Johannisfeuer. Auch in England, Dänemark und Skandinavien wiegt die Feier der Mittsommernacht vor. Noch heute hat das Johannisfeuer in den süddeutschen und österreichischen Gebirgsländern mythischen und religiösen Charakter behalten; der Sonnenwendmann spielt dort als wilder Jäger, der die Sonne verfolgt, eine Rolle, man erbaut die Brandhaufen aus freiwilligen Holzspenden, zu denen nur Unbescholtene beitragen dürfen, tanzt in eigentümlicher und hergebrachter Weise (St. Johannis- oder St. Veitstanz) darum, und die Liebespaare springen verbunden über die erlöschende Glut. Angekohlte Brände bewahrt jedes Haus als blitzvertreibend, Feld und Garten fruchtbarmachend bis zum nächsten S. auf. Vgl. Hillebrandt, Die Sonnenwendfeste in Altindien (Erlang. 1889); Kuhn, Die Herabkunft des Feuers und des Göttertranks (neuer Abdruck, Gütersloh 1886); Schwartz, Die poetischen Naturanschauungen, Bd. 1 (Berl. 1864); Mannhardt, Wald- und Feldkulte (das. 1875–77, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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