- Seilbahnen
Seilbahnen (Drahtseilbahnen), feste Eisenbahnen (Standbahnen), auf denen die Wagen nicht durch Lokomotiven, sondern durch ein Drahtseil (Seilbetrieb) gefördert werden, oder Seilhängebahnen, einschienige Transportvorrichtungen, bei denen Fördergefäße oder -Gestelle mit zwei hintereinander liegenden Rädern auf einem als Schiene dienenden Drahtseil laufen. Geneigte Ebenen (Seilebenen) mit direktem Seilbetrieb (s. Eisenbahnsystem, S. 537) sind zu Anfang des Eisenbahnbaues auch bei Hauptbahnen zur Überwindung kurzer, aber steiler Gefälle mehrfach angelegt worden, bei Hochdahl (Düsseldorf-Elberfeld) wird das Seil (für Güterzüge noch jetzt) durch eine auf besonderm Gleise bergab fahrende Lokomotive gezogen, indem es am obern Ende über eine Umkehrscheibe geleitet ist. Bei Aachen und Lüttich wurde das ohne Ende umlaufende Seil durch feste Dampfmaschinen bewegt, und der erste Wagen des Zuges war mit einer Vorrichtung versehen, die an beliebiger Stelle das Fassen oder Lösen des Seiles ermöglichte. Die in jenen Fällen vorkommenden Steigungen von 26–30 auf Tausend werden gegenwärtig (1907) durch schwerere Lokomotiven ohne besondere Mittel anstandslos überwunden.
Dagegen hat der Seilbetrieb für Bergbahnen (s. d.) mit weit steilern Neigungen (mit 600, ja 700 auf Tausend) und mit endlosem, stetig umlaufendem Seil auch zeitweise für Straßenbahnen (s. Kabelbahnen) große Bedeutung erlangt. Über indirekten Seilbetrieb s. Bergbahnen, S. 662.
Bei den Seilhängebahnen (Luftseilbahnen, Drahtluftbahnen, Seilschwebebahnen) zum Transport von Rohgütern, Erden, Erzen, Kohlen, Holz, Steinen etc., muß das Seil so unterstützt sein, daß die mit zwei Spurkränzen versehenen Laufräder der Fördergefäße ohne Anstoß über die Stützpunkte hinwegrollen. Die Fortbewegung der Förderlasten geschieht durch das Zugseil, ein zweites, dünneres, von fester Maschine bewegtes und stetig umlaufendes Drahtseil ohne Ende, das an jeder Stelle ein Fest- und Loskuppeln der Fördergefäße ermöglicht. Die hierzu dienende Kuppelungsvorrichtung ist an den Fördergestellen angebracht, und von ihrer zweckmäßigen Einrichtung hängt die Brauchbarkeit der Anlage wesentlich mit ab. Das Zugseil liegt senkrecht unter dem Tragseil, zwischen diesem und der Förderlast. An dem Fördergestell ist dann in richtiger Höhe eine kleine Leitrolle zur Unterstützung des Zugseils und die erwähnte, neuerdings meist selbsttätige Kuppelung angebracht. Wird diese gelöst, so gleitet das Zugseil über die Leitrolle hinweg, ohne das Fördergestell mitzunehmen (Fig. 1–4). Der zurücklaufende Teil des Zugseils liegt ebenso unter dem andern Tragseil und befördert in gleicher Weise die leeren Gefäße zurück. Bei größern Zwischenräumen der Fördergefäße legt sich das Zugseil auf die seitwärts an den Tragstützen angebrachten breiten Rollen (Fig. 1 u. 2). An den Endpunkten der Bahn geschieht die Ablenkung der Fördergestelle in der Weise, daß die Tragseile sanft abwärts geneigt und über sie in wagerechter Ebene die in eine (unten offene) Hohlschiene auslaufenden Enden einer festen, einseitig aufgehängten Tragschiene geführt sind, so daß die Räder (nach Loskuppelung des Zugseils) mit der Hand leicht von dem Tragseil auf die feste Schiene übergeleitet werden können, die dann in beliebiger Weise abgebogen ist und die Fördergefäße zu den Ladestellen hinführt. Auch bewegliche Stücke (Weichen) können in die feste Schiene eingeschaltet werden behufs Ablenkung und Übergang der Fahrzeuge auf andre Stränge. – S. wurden von den Chinesen zur Beförderung von Lasten und Menschen über Flüsse und Schluchten seit Jahrtausenden benutzt. Eine Handschrift der Wiener Hofbibliothek von 1411 zeigt eine Seilbahn mit Hanfseil und Förderkörben, auch baute ein holländischer Ingenieur Wybe 1644 in Danzig eine Seilbahn zum Transport von Erde über Wasserläufe hinweg. Größere praktische Bedeutung gewannen die S. erst mit Einführung der Drahtseile durch Harzer Bergbeamte (Albert 1834). In den 1850er Jahren baute man in Kärnten, Tirol und Savoyen Berg- oder Seilriesen mit Drahtseilen zum Holz- und Steintransport, und 1861 erbaute Dücker bei Osterode am Harz eine Seilbahn mit Lauf- und Zugseil. Es folgten namentlich seit Anfang der 1870er Jahre Verbesserungen von Bleichert, Otto, Pohlig ua. In neuester Zeit haben diese S. eine weitgehende Entwickelung erfahren. Sie haben sich namentlich überall da vortrefflich bewährt, wo es sich um große, dauernde Massenförderung gleicher Art handelt. Sie bieten den wichtigen Vorteil, mittels des fortlaufenden Betriebes mit geringen Einzellasten bedeutende Leistungen ohne starke Belastung der Bahn zu bewirken und schaffen dadurch zugleich die Möglichkeit, an bestimmten Stellen, z. B. bei Überschreitung der Meeresbrandung an felsigen Küsten oder auf breiten, seichten Sandküsten, die Tragseile durch Trag schienen (Hängeschienen) auf weitgespannten und doch sehr leichten Eisenträgern zu ersetzen und so behufs Bildung großer Be- und Entladevorrichtungen für Seeschiffe diese im freien tiefen Wasser mit selbsttätigen Förderbahnen unmittelbar auch da zu erreichen. wo dies mittels Molen und schweren Standbahnbrücken sehr viel teurer und oft wegen Landströmungen (Westafrika) und Gewalt der Wellen unzulässig sein würde. In solcher Weise sind neuerdings bedeutende Anlagen ausgeführt. Sehr beachtenswert ist die Anlage einer 35 km langen Drahtseilschwebebahn von der argentinischen Eisenbahnstation Chilecito zu den auf 4600 m Meereshöhe gelegenen reichen Kupfererzen von Famatina, mit dem trotz großer Bauschwierigkeiten erzielten Erfolge der Verminderung der Förderkosten gegenüber dem frühern Maultierbetrieb beinahe auf den zehnten Teil. Diese Bahn hat zugleich aufwärts zu der vegetationslosen Einöde sämtliche Nahrungsmittel, sogar das Wasser zu fördern und dient in beschränktem Maße auch der Personenbeförderung (Beamte, Arbeiter etc.).
Bei neuern derartigen S. beträgt die Entfernung der Stützen in der Regel 50–100 und 200 m; sie steigt bei Überschreitung von Tälern, Strömen, Meeresarmen nicht selten auf 500 m, ja 1000 m, in einem Falle erreicht sie 1300 m; die Höhe der Stützen wächst demgemäß von etwa 10 auf 34 m und mehr. Die Tragkraft der Fördergefäße (früher 150–200 kg) beträgt zurzeit im Durchschnitt 500–1000 kg, bei einigen Bahnen aber sogar 5–6 Ton., die Geschwindigkeit (früher 1–1,5 m) etwa 2–3 m in der Sekunde, ausnahmsweise aber auch 5–6 m. Stündliche Leistungen von 100 T. sind nicht selten, sie gehen aber auch auf 250 T. hinaus. Steigungen kommen bei den genannten Beispielen vor von 35°, in andern Fällen sogar von 45° (1: 1). Wichtig für die größere Geschwindigkeit wie für betriebsichern Gang überhaupt ist die Ausbildung der selbsttätigen Ankuppelung der Fahrzeuge durch ihr eignes Gewicht. Durch den guten Erfolg der S. veranlaßt, bildete Eugen Langen denselben Grundgedanken jedoch mit fest er Schiene für regelmäßige Personenbeförderung aus und schuf die Schwebebahn (s. Hängebahn) für Barmen-Elberfeld-Vohwinkel. Vgl. Stephan, Die Luftseilbahnen (Berl. 1907).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.