Bastardpflanzen

Bastardpflanzen

Bastardpflanzen (Hybriden, Blendlinge, Mischlinge), Produkte geschlechtlicher Zeugung zwischen zwei verschiedenen Pflanzenarten (Stammformen). Eine solche Verbindung nennt man Hybridation oder zweiartige Kreuzung, im Gegensatze zur gewöhnlichen oder einartigen, zwischen Exemplaren derselben Art stattfindenden Befruchtung. Bei Bezeichnung der B. pflegt man die beiden Artnamen der Stammformen in der Weise zu verbinden, daß man den Namen des Vaters, d. h. der pollenliefernden Pflanze, voransetzt. So bedeutet z. B. Digitalis purpurea lutea eine Bastardpflanze, die von D. lutea durch Befruchtung mit D. purpurea erzeugt ist. Hybridation ist vorzugsweise bei Phanerogamen bekannt. Unter den Kryptogamen, soweit hier geschlechtliche Zeugung stattfindet und daher Kreuzung denkbar ist, kennt man nur wenige einigermaßen sichere Fälle von Hybridation bei Tangen, Moosen und Farnkräutern. Durch künstliche Bastardierung sind zum großen Teil die zahlreichen Formen der Aurikeln, Azalien, Pelargonien, Georginen, Levkojen, Rosen etc. gewonnen worden. Im allgemeinen schlägt die Bastardbefruchtung am leichtesten an zwischen Varietäten derselben Art und demnächst zwischen zwei verschiedenen Arten derselben Gattung. Erfolgreiche Kreuzung zwischen Arten aus verschiedenen Gattungen (bigenerische B.) ist selten beobachtet worden, z. B. zwischen Lychnis und Silene, Rhododendron und Azalea, Gymnadenia und Nigritella, Aegilops und Triticum; Hybridation zwischen Arten verschiedener Familien kommt nicht vor. Die Fähigkeit der Arten, B. zu erzeugen, ist je nach Familien sehr verschieden. So sind von den 57 europäischen echten Weidenarten über 100 wild wachsende Bastarde bekannt. Auch Skrofulariazeen, Solanazeen, Karyophyllazeen, Kaktazeen, Rosazeen, Önotherazeen, Orchidazeen, Rubiazeen, Kompositen etc. erzeugen leicht B., während Hybridation unbekannt oder nur in einzelnen Fällen beobachtet wurde bei Gramineen, Papilionazeen, Kruziferen, Umbelliferen etc. Auch steht in derselben Familie neben einer Gattung mit zahlreichen B., wie Dianthus, eine andre mit auffallend wenigen Hybridenarten, wie Silene. Zwischen zwei kreuzungsfähigen Arten A und B ist in der Regel reziproke Hybridation möglich, d. h. sowohl A als B können die Rolle des Vaters spielen. Bastarde können auch unter sich gekreuzt werden, und man erzielt dann die abgeleiteten Bastarde, die eine Vermischung der Merkmale von drei (Tripelbastarde) oder noch mehr Pflanzen an sich tragen. Wird eine Blüte gleichzeitig mit eignem und mit fremdem Pollen einer zweiten Art bestäubt, so befruchtet der erstere, der letztere aber bleibt unwirksam. Seinen Merkmalen nach hält der Bastard im allgemeinen die Mitte zwischen den Stammformen, und die reziproken Bastarde AB und BA sind äußerlich gleich. Das intermediäre Verhalten spricht sich darin aus, daß die Merkmale der Stammformen am Bastard entweder wirklich zu Mittelbildungen vermengt sind, oder daß wechselsweise das eine Merkmal von der Mutter, das andre vom Vater unverändert angenommen wird. Nicht selten verhalten sich dabei in der Auswahl der Merkmale die einzelnen Individuen der aus ein und derselben Kreuzung hervorgegangenen B. verschieden. Nähert sich ein Bastard, wie dies häufig bei Bestäubung eines solchen mit dem Pollen einer der Stammarten vorkommt, in seinen Merkmalen dieser Stammform, so nennt man ihn goneoklinisch. Im allgemeinen gehen die konstanten Merkmale, in denen die Stammformen übereinkommen, auch unverändert auf den Bastard über, und die variabeln Merkmale jener sind es auch an diesem. Indes zeigen die B. doch auch gewisse neue Eigenschaften, die keiner der beiden Stammformen zukommen. Allgemein sind B. in ihrem Wuchs kräftiger als die Eltern, sie bilden stärkere Stengel, zahlreichere Blätter und bisweilen ungewöhnlich viel Blüten, die überdies oft größer, schöner gefärbt, wohlriechender sind und Neigung haben, sich zu füllen. Daher wird von Blumenzüchtern oft die Kreuzung angewendet, um derartige Erfolge zu erzielen. Nicht selten erscheinen die Staubgefäße der B. äußerlich normal entwickelt, aber die Pollenkörner haben nicht die gehörige Ausbildung, oder es sind auch die Staubgefäße ganz verkümmert, bei gefüllten Blüten in Blumenblätter umgewandelt. In den weiblichen Organen bilden die Samenknospen bisweilen ihre wesentlichen Teile gar nicht aus, so daß die Befruchtung unmöglich ist, oder die letztere findet zwar statt, allein der Embryo stirbt schon vor seiner völligen Ausbildung ab. In andern Fällen werden dagegen keimfähige Samen erzeugt, und wenn solche Bastardnachkommen wiederum sich selbst befruchten, so kann sich, wie bei dem Bastard der beiden Alpenrosen (Rhododendron intermedium), desgleichen bei dem die beiden europäischen Nuphar-Arten verbindenden N. intermedium, mit der Zeit eine neue, lebenskräftige Art bilden, sofern diese in Einklang zu den Verhältnissen des Standortes steht, auf dem sie entstand. Aus der Seltenheit dieses Zusammentreffens erklärt sich die geringe Zahl derartig entstandener Pflanzen. Durch Pfropfung entstehen Pfropfhybriden, z. B. bei verschiedenen Kartoffelsorten, wenn man knospentragende Keilstücke von Knollen der einen Art in entsprechende Stellen einer zweiten Sorte einfügt. Die aus derartigen Knollen hervorgehenden Pflanzen stehen in ihren Merkmalen zwischen den beiden Stammformen. Ebenso entstehen die Bizzaria-Orangen mit gemischten Charakteren der Orange und Zitrone, der durch Okulieren einer Knospe von Cytisus purpureus auf einem Stock des C. Laburnum gezüchtete C. Adami, die panachierten Abutilon etc. Die Kenntnis der B. verdanken wir vorzugsweise den zahlreichen Versuchen von Kölreuter (1761–66,4 Tle.), GärtnerMethode der künstlichen Bastardbefruchtung«, Stuttg. 1849) und Wichura (»Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich«, Bresl. 1865). Vgl. Focke, Die Pflanzenmischlinge (Berl. 1881); Mendel, Versuche über Pflanzenhybriden (abgedruckt in Ostwalds »Klassikern der exakten Wissenschaften«, Nr. 121, Leipz. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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