- Rouher
Rouher (spr. ru-ǟr), Eugène, franz. Staatsmann, geb. 30. Nov. 1814 in Riom, gest. 3. Febr. 1884 in Paris, ward Advokat in Riom. 1848 in seiner Heimat zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt, gehörte er anfangs zur republikanischen Partei, ging aber bald zur Rechten über, wurde dann Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung, in der er sich dem Prinzen Ludwig Napoleon anschloß, und 31. Okt. 1849 zum Justizminister und Präsidenten des Kabinetts ernannt, nahm aber wegen des Konfiskationsdekrets gegen die Orléans 23. Jan. 1852 seine Entlassung und wurde zum Präsidenten des Staatsrats ernannt. Vom 3. Febr. 1855 bis 23. Juni 1863 verwaltete er das Ministerium des Handels, des Ackerbaues und der öffentlichen Arbeiten; er führte das Freihandelssystem Napoleons III, durch und schloß den berühmten Handelsvertrag mit England. Nach Billaults Tode ward er 13. Okt. 1863 Staats- (Sprech-) minister und behauptete sich in dieser Stellung bis 1870. Stets bereit, den Ausfällen der Opposition wider die Regierungspolitik im Gesetzgebenden Körper zu begegnen, zeigte sich R. als gewandten und in der Kunst rhetorischer Dialektik erfahrenen Redner. Er behauptete bei Napoleon III. einen so maßgebenden Einfluß, daß ihn Ollivier 12. Juli 1867 den »Vizekaiser« nannte. Die neue liberale Ära, die 1869 begann, trieb ihn aus dem Ministerium; er legte sein Amt im Januar 1870 nieder, ward aber zum Präsidenten des Senats ernannt und behielt seinen Einfluß. Nach dem 4. Sept. begab er sich ins Ausland und ward erst 11. Febr. 1872 in Korsika zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt. Er trat offen an die Spitze der kleinen bonapartistischen Partei und nahm an den monarchistischen Reaktionsbestrebungen bedeutenden Anteil. Der frühe Tod des kaiserlichen Prinzen 1879 bewog ihn, von der Leitung der bonapartistischen Partei zurückzutreten. Seit 1876 war er Mitglied der Deputiertenkammer.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.