Rotlauf

Rotlauf

Rotlauf, soviel wie Rose (s. d., S. 143). Bei Schweinen nannte man R. früher verschiedene mit Hautrötung verbundene Krankheiten, die in den 1880er Jahren wissenschaftlich unterschieden wurden. Jetzt ist R. eine Infektionskrankheit des Schweines, die durch den 1885 von Löffler entdeckten Rotlaufbazillus (daher auch Stäbchenrotlauf) verursacht wird. Die Ansteckung erfolgt nicht durch direkte Berührung zwischen kranken und gesunden Schweinen. Die Bazillen, die sich im Blut und in den Exkrementen finden, verbreiten sich vielmehr im Dünger und beim Schlachten und gelangen dadurch auch in den Boden des Stalles, der Gehöfte, Laufhöfe und Weiden, den sie dauernd infizieren. Die gesunden Schweine nehmen dann den Ansteckungsstoff beim Wühlen oder mit dem Futter auf. Nach drei Tagen oder auch schneller bricht dann der R. aus mit hohem Fieber, schwerem Kranksein und bald auftretender heller, später dunkler Rötung an Bauch, Hals und Ohren. In der Regel tritt nach 2–4 Tagen der Tod ein, so daß man vorzieht, nach Feststellung des Rotlaufs, das Schwein sofort zu schlachten; das Fleisch kann dann gekocht ohne Nachteil gegessen werden. Eine milde Form des Rotlaufs sind die Backsteinblattern (auch Nesselfieber, dän. Knuderosen), wobei unter Fieber nach zwei Tagen über den ganzen Körper, namentlich auf dem Rücken, an den Keulen etc. dunkelrote, rundlich, oft aber viereckig erhabene Flecke auftreten, die aber wieder verschwinden; nach 8–10 Tagen tritt fast stets Genesung ein. Auch eine Herzentzündung (Endokarditis) kann durch Rotlaufbazillen verursacht werden. In dem deutschen Viehseuchengesetz von 1880 ist der R. noch nicht einbegriffen, doch wird er seit 1898 veterinärpolizeilich bekämpft. Die Schweinebesitzer müssen den R. anzeigen, die kranken Schweine sind abzusondern, beim Schlachten und beim Beseitigen der Kadaver ist eine Verunreinigung der den Schweinen zugänglichen Plätze durch Rotlaufbazillen möglichst zu vermeiden. Nach dem Erlöschen des Rotlaufs ist der Dünger zu entfernen, Ställe und Laufhöfe sind zu desinfizieren. Die Desinfektion ist aber meist nur unvollkommen möglich. Einen sichern Schutz gewährt die Rotlaufimpfung, die nicht vorgeschrieben, sondern freigestellt, jedoch allgemein in Aufnahme gekommen ist und zwar nach der von Lorenz (Darmstadt) 1892 eingeführten Methode, die darin besteht, daß erst durch Einspritzung eines Schutzserums unter die Haut das gesunde Schwein eine vorübergehende (passive) Immunität erhält und während derselben mit einer Kultur virulenter Rotlaufbazillen geimpft, also einer echten Ansteckung unterworfen wird, wodurch es eine langdauernde (aktive) Immunität erwirbt. Wird letztere Impfung wiederholt, so dauert die Immunität ein Jahr, was für sämtliche Schlachtschweine genügt. Bei Zuchtschweinen muß eventuell die Impfung im nächsten Jahr wiederholt werden. Das Sinnreiche der Methode, die eine der besten tierärztlichen Errungenschaften ist, liegt in der Verbindung von Serum- und Kulturimpfung, erstere befähigt das Schwein, die letztere sicher zu vertragen. Die erste Kulturimpfung kann gleichzeitig mit der Serumimpfung erfolgen (Simultanimpfung). Das von Lorenz zuerst hergestellte Schutzserum wird jetzt aus dem Blute von Pferden gewonnen und in verschiedenen Instituten Deutschlands in gleicher Qualität erzeugt. Eines diese Präparate führt den Namen Sufferin. Etwas andres ist das Porkosan, das sich nicht bewährt hat. Da nur eine Minderzahl von Schweinen geimpft wird, so ist der R. noch sehr verbreitet. 1905 sind in Deutschland 53,000 Fälle zur Anzeige gelangt und 41,000 Schweine am R. gestorben, bez. deswegen notgeschlachtet worden.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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