- Reichenberg
Reichenberg, 1) Stadt mit eignem Statut in Böhmen (s. den Stadtplan), die bedeutendste deutsche Stadt und die größte Industriestadt des Landes, 375 m ü. M., in einem Talkessel zwischen dem Iser- und Jeschkengebirge, an der Neiße, Knotenpunkt der Linien Josefstadt-R.-Seidenberg der Südnorddeutschen Verbindungsbahn, R.-Teplitz der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, R.-Grüntal der R.-Gablonz-Tannwalder Eisenbahn und R.-Zittau der Sächsischen Staatsbahnen, hat eine gotische Erzdekanatskirche (1883 erneuert), eine Kreuzkirche (1695) mit einem Altarbild aus dem 16. Jahrh. und einem Schnitzwerk am Hochaltar von 1506, eine neue St. Vinzenzkirche (1888), eine schöne ev. Kirche (1868), eine Synagoge (1889), ein Schloß des Grafen Clam-Gallas (1774) mit schöner Kapelle (1604 in deutscher Renaissance erbaut) und Park, ein neues Rathaus (im deutschen Renaissancestil von Neumann 1893 erbaut) mit 56 m hohem Turm, ein Gerichtsgebäude, ein neues Sparkassen- und ein Handelskammergebäude, ein Meisterhaus der Tuchmachergenossenschaft, ein Stadttheater, ein Gewerbemuseum, das Franz-Josephsbad (1902), ein Ursulinerinnenkloster mit gotischer Kirche, einen Monumental brunnen (von Metzner 1906) und ein Denkmal Josephs II. R. zählt (1900) mit der Garnison (1518 Mann) 34,099 meist deutsche Einwohner (1557 Tschechen) und bildet den Zentralpunkt der nordböhmischen Schafwollindustrie mit Spinnereien, Webereien (1600 mechanische Webstühle), Färbereien und Appreturen.
Andre in R. vertretene Industriezweige sind: Fabrikation von Teppichen, Tuchschuhen, Maschinen, Eisengußwaren, Spritzen, Klavieren, Möbeln, Seifen, Farben, Leder, Buch- und Steindruckerei und Mühlenbetrieb. Förderungsmittel der gewerblichen Produktion und des ebenfalls sehr lebhaften Handels sind: die Filialen der Österreichisch-Ungarischen Bank, der Österreichischen Kreditanstalt und der Böhmischen Unionbank, zwei Sparkassen, eine Tuchhalle und ein Gewerbeverein. R. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung), eines Kreisgerichts, Gewerbegerichts, einer Finanzbezirksdirektion, einer Handels- und Gewerbekammer und hat ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, Staatsgewerbeschule, Fachschule für Weberei, Lehrerbildungsanstalt, eine städtische Handelsakademie, das nord böhmische Gewerbemuseum (mit reichhaltigen kunstgewerblichen Sammlungen und der wertvollen Gemäldesammlung des Freiherrn Heinrich v. Liebieg), ein Versorgungshaus, Spital, Kinderheim, elektrische Beleuchtung sowie Straßenbahn und Schlachthaus.
R. hat auch schöne Anlagen (Volksgarten, Kaiser-Josephpark) mit mehreren Aussichtspunkten, darunter die Hohenhabsburg. Südwestlich von R. erhebt sich der aussichtsreiche Jeschken (1013 m). Industrielle Vororte von R., deren Vereinigung mit der Stadt eingeleitet ist, sind: Röchlitz (4154 Einw.), Rosental (2238 Einw.), Oberrosental (4673 Einw.), Johannestal (1265 Einw.), Franzendorf (2133 Einw.), Alt- und Neupaulsdorf (1030, bez. 1606 Einw.), Ruppersdorf (2675 Einw.) und Altharzdorf (3219 Einw.). R. wird in Urkunden zuerst 1348 genannt. Die Tuchmacherei begann hier zu Ende des 16. Jahrh. Albrecht von Waldstein kaufte 1622 die Herrschaft R., die nach ihm an den Grafen Gallas und später an die gräfliche Familie Clam-Gallas kam. 1906 wurde in R. eine sehr bedeutende deutschböhmische Ausstellung abgehalten. Vgl. Hallwich, R. und Umgebung, eine Ortsgeschichte (Reichenb. 1874); Grunzel, Die Reichenberger Tuchindustrie (Prag 1898); Führer durch R. und Umgebung von Hübler (2. Aufl., das. 1902), Hantschel (das. 1895) und Maschek (das. 1895). – 2) Schloß, s. Reichelsheim 2). – 3) Burgruine, s. Sankt Goarshausen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.