Rechtfertigung

Rechtfertigung

Rechtfertigung, in der Theologie (justificatio) nach der protestantischen Kirchenlehre der göttliche Gerichtsakt (actus forensis), der den Sünder durch Zurechnung der im Glauben von ihm ergriffenen Gerechtigkeit Christi für gerecht annimmt, ihm damit Vergebung, Kindschaft und Seligkeit zuspricht, obwohl er noch keineswegs gerecht ist, und zwar tut dies Gott lediglich wegen des Verdienstes Christi, immer aber unter der Voraussetzung des Glaubens auf seiten des Menschen. Die R. steht demnach in unmittelbarem Zusammenhang mit dem dogmatischen Begriff der Versöhnung (s. d.). Mit dieser Lehre, die eine allerdings nicht unveränderte Erneuerung paulinischer Gedankengänge darstellt, und deren Bedeutung in den ursprünglichen Zeugnissen des Protestantismus klarer zutage tritt als in der spätern dogmatischen Formulierung, trat die Reformation der katholischen Werkgerechtigkeit und priesterlichen Heilsvermittelung gegenüber; denn die protestantische R. ist so beschaffen, daß man an ihr nicht zweifeln kann, und daß, wer den lebendigen Glauben hat, durch das Zeugnis des Heiligen Geistes der göttlichen Gnade gewiß sein darf. Ein Unterschied zwischen der lutherischen und reformierten Auffassung besteht darin, daß letztere der Vergewisserung der R. durch die Bewährung des Erwähltseins in einem heiligen Wandel größeres Gewicht beilegt. Die katholische Kirchenlehre schließt dagegen die R. mit der Heiligung zusammen und beschreibt sie nach Augustins Vorgang als die im Sakrament der Taufe, bez. der Buße erfolgende Eingießung der als unpersönliche Kraft gedachten göttlichen Gnade, durch die der Mensch aus einem Ungerechten zu einem Gerechten gemacht werde. Der neuere Protestantismus gibt in der Regel die Form des Dogmas preis, findet aber seinen religiös wertvollen Kern in der Überzeugung, daß der seiner Sündhaftigkeit bewußte Mensch sein Verlangen nach Gemeinschaft mit Gott und damit nach innerer Unabhängigkeit von der Welt nur dann gestillt wissen kann, wenn er solche Würde als freies Geschenk Gottes hinnimmt. In dem Danke gegen dieses Geschenk liegt aber für ihn der stärkste Antrieb zu ebenso gewissenhafter, wie von allem gesetzlichen und unruhigen Eifer freier Erfüllung des göttlichen Willens. Vgl. Ritschl, Die christliche Lehre von der R. und Versöhnung (4. Aufl., Bonn 1895–1903, 3 Bde.); Lütgert, Die Lehre von der R. durch den Glauben (Berl. 1903); Walther, R. oder religiöses Erlebnis (Leipz. 1904); Holl, Die Rechtfertigungslehre im Licht der Geschichte des Protestantismus (Tübing. 1906). – In Österreich heißt R. der Nachweis, daß eine Vormerkung im Grundbuch zu Recht besteht. Erst durch die R., die eventuell durch eine Rechtfertigungsklage erreicht werden muß, wird die durch die Vormerkung erwirkte Eintragung und nur in dem Umfang, in dem die R. erfolgt, zu einer unbedingten.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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