- Posse [1]
Posse ist zunächst ein derber, übermütiger Streich oder Schabernack (daher die Redensarten »Possen reißen«, »jemandem einen Possen spielen«), dann insbes. eine dramatische Darstellung voll drastischer Komik (s. Komisch), für die auch der Name Schwank in Gebrauch (doch dient das Wort Schwank außerdem zur Bezeichnung von erzählenden Werken drastischer Komik). Träger der possenhaften Komik sind vornehmlich die »lustige Person« (der Pickelhering, Jean Potage, Hanswurst, Harlekin etc.) und die »lächerliche Person« (der betrogene Alte, der bestohlene Geizhals etc.; der Vater in der griechisch römischen, Pantalone in der italienischen Stegreif-, Harpagon in der Molièreschen Komödie). Entsprechend der Sonderung von Charakter- und Situationskomik läßt sich eine Situations- und Charakterposse unterscheiden: eine P. ist dieser oder jener Art, je nachdem die Situation (das Schicksal, der Zufall) oder die Verkehrtheit im Wesen der P. als dasjenige erscheint, was die Person zum Gegenstand des Lachens werden läßt. Führen neckende Dämonen, Feen, Geister die Entscheidung herbei, so entsteht die Feen-, Geister-, Zauberposse. Geht eine P. darauf aus, eine bestimmte Person lächerlich zu machen, so wird sie zum dramatischen Pasquill (Kleon bei Aristophanes); stellt sie die Einwohner eines bestimmten Ortes dar (die Sitten, Gebräuche, Anschauungen, Sprache etc. einer Stadt, eines Landes), so entsteht die Lokalposse (wie sie im Altertum Athen und Rom, in der Neuzeit große Städte, wie Paris, Wien, Berlin, in eigentümlicher Weise und im eignen Dialekt ausgebildet haben). Wird der Mensch überhaupt und die Menschenwelt (zu welcher der sich mit verspottende Dichter selbst gehört) komisch beleuchtet, so entsteht die weltverlachende P. (Tiecks »Verkehrte Welt«, Krasinskis »Ungöttliche Komödie«). In der Lokalposse haben sich Nestroy, Gleich, Kaiser u. a. in Wien, L. Angely, Kalisch, L'Arronge u. a. in Berlin ausgezeichnet. Durch die Verbindung der Lokalmit der Zauberposse hat Raimund in Wien (»Der Verschwender«, »Alpenkönig und Menschenfeind« u. a.) ein eigentümliches Genre phantasievollen Possenspiels begründet. Vgl. Rietz, Über das Wort und den Begriff P. (im »Archiv für das Studium der neuern Sprachen u. Literaturen«, Bd. 73, Braunschw. 1884).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.